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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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verbesserte ich Violet. »Das ist die französische Aussprache. Sie ist schöner.« Ich sah sie schmunzeln. Wir verstanden uns.
    »Deine Aufgaben in diesem Haus«, übernahm Rufus die Erklärungen, und ich fühlte meine Augen schmal werden vor Ärger und hoffte, dass ihm das nicht entging – er sollte wirklich einen anderen Ton wählen, wenn er mit mir redete. »Deine Aufgaben sind die gleichen, die es auch zuletzt gewesen sind: Du wirst dich um die Puppen kümmern, ein Auge darauf haben, wann eine Seele heranreift, und uns dann Bescheid geben, damit sie entsprechend verwendet werden kann. Stößt du auf eine verdorbene Seele, dann sieh zu, dass du zumindest ihre Seide gewinnst. Ich muss dir nicht mehr erklären, wie du deine Arbeit zu verrichten hast. Die Änderungen, die wir für dich beschlossen haben, betreffen ausschließlich die Äußerlichkeiten.«
    Er schwieg, als der Tee gebracht wurde. Ich fragte mich, ob der nur ein Teil der Maskerade war oder ob sich auch Violet schon so sehr an das Leben eines Menschen gewöhnt hatte, dass sie Geschmack und Gefallen fand an solchen Bräuchen wie dem Nachmittagstee. Feiner Tee aus Indien konnte es aufnehmen mit den edelsten Gebräuen, die das Feenreich zu bieten hatte. Ich war schon zu lange unter Menschen, um Heimweh nach den alten Düften zu haben, an die ich mich kaum noch erinnern konnte, aber wie lange war Violet hier? Oder Rufus?
    Ich muss gestehen, ich war nicht ganz aufmerksam, während Rufus sprach. Er hatte mir nichts wirklich Neues zu sagen – dass er meine Entscheidung begrüßte, wusste ich bereits, und solange sich an meinen Aufgaben nichts geändert hatte, was sollte ich ihm da noch groß zuhören? Meine Gedanken schweiften ab, und einen Moment lang wunderte ich mich, wie schwer es plötzlich war, mich zu konzentrieren – war das ein Stück Menschlichkeit, das ich vermisste? Jeder wusste, dass eine Fee sich mit zu vielen Eindrücken auf einmal beschäftigen musste, um einem einzelnen ihre ganze Aufmerksamkeit schenken zu können, es sei denn, dieser hatte sie wirklich verdient. Rufus … Der musste mir schon etwas mehr bieten als nur sein übliches Gerede. Wenn etwas Wichtiges dabei war, würde ich es schon mitbekommen. Aber was er dann sagte, ließ mich doch aufhorchen.
    »Wir werden Hollyhock verlassen«, sagte er. »Es gibt keinen Grund für mich, und erst recht nicht für die Königin, unsere kostbare Zeit damit zu vergeuden, in einem leeren Haus herumzusitzen. Wir sind hier, um unseren Platz in dieser Welt zurückzuerobern. Hollyhock ist ein Ausgangspunkt, aber unsere Zukunft liegt dort, wo die Menschen sind. Du wirst mich in meinem Stadthaus in London erreichen; eine Adresse, an die du Briefe senden kannst, sollte sich in Bezug auf die Seelen etwas Neues ergeben, erhältst du von Trent. Was die Königin angeht, hast du schon zu viel von ihrer Zeit vergeudet. Sie hat keine Veranlassung mehr, sich mit dir abzugeben, sobald wir einmal von hier abgereist sind.«
    Ich antwortete nicht, versuchte nur, seine Worte in mich einsickern zu lassen. Violet verließ Hollyhock für immer, und Rufus würde nur noch gelegentlich vorbeischauen, verstand ich das richtig? Ich wollte keine Fragen stellen, die mich dümmlich erscheinen lassen konnten. Weiser war es, einfach nur dazusitzen und ein neutrales Gesicht zu machen – mir nicht zu viel Freude anmerken zu lassen angesichts der Aussicht, das Haus für mich alleine zu haben!
    »Hast du mich verstanden?«, fragte Rufus scharf.
    Ich blickte ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. »Es ist nicht nötig, dass Ihr mich behandelt wie ein dummes Gör oder einen, dem der Verstand abhandengekommen ist. Erweist mir Respekt, wenn Ihr das Gleiche von mir verlangt.«
    Ich wusste, dass sich schon das Mädchen die Zähne an Rufus ausgebissen hatte, und jetzt verstand ich auch, warum. Mehr als ein müdes Lächeln konnte auch ich ihm nicht abringen. Fee oder nicht, er war Violets rechte Hand und würde sich wohl auch in tausend Jahren noch für etwas Besseres halten, selbst wenn er kaum mehr als ein Diener war. »Also hast du mich verstanden?«, fragte er sanft. »Ich sagte, wir werden dir Hollyhock überlassen.«
    »Erwartet Ihr, dass ich dafür dankbar bin?«, fragte ich eisig. »Es kann mir egal sein, ob ich dieses Haus für mich alleine habe oder weiterhin mit Euch meinen Tee einnehme. Ich erfülle meine Aufgabe, ganz gleich, was Ihr tut.« Hinter meiner kühlen Maske wollte ich jubeln, aber wenn eine Fee eines konnte, war es,

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