Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
Vom Netzwerk:
wir es dir jederzeit wieder entziehen können, solltest du dich als unwürdig erweisen. Du bist nicht unersetzlich.«
    Ich nickte nur und ließ meine Gedanken wieder schweifen. Ich wusste, was ich wissen wollte. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Haus mir gehörte.
    Am Abend lag ich in meinem Bett, und mir schwirrte der Kopf. Eigentlich hätte ich überglücklich sein müssen, aber in Wirklichkeit war nichts so, wie es sollte. Das Leben, auf das ich mich so gefreut hatte, verlief ganz anders als erwartet. Anstatt des strahlenden Geschöpfs von Anmut und Schönheit, das ich sein wollte, endete ich als verstörtes, einsames Ding ohne Freude oder Freunde. Am liebsten wäre ich aus meinem Bett gestiegen und zurück ins Labyrinth gegangen, um nach dem Jungen zu sehen. Er konnte mir nicht das Wasser reichen, war er doch nur ein armseliges Stück Mensch, das nichts war und nichts konnte, und dennoch: Er mochte das Mädchen, das ich für ihn immer sein würde, und er wäre ein schöner Zeitvertreib geworden. Ich hätte ihn nicht einfach so zurücklassen sollen, sondern mir besser Gedanken gemacht, wie ich ihn auch später noch nutzen konnte.
    Aber als mir das in den Sinn kam, als ich dann doch hinauslief in den Garten und nachsah, ob der Junge doch noch da war, fand ich ihn nicht mehr. Nicht im Labyrinth, wo die traurigen Reste des Festmahls dem Wetter ausgesetzt waren und warteten, dass sich jemand ihrer erbarmte und sie ins Haus zurückschaffte, und nicht im Kutschenhaus, wo noch eine alte Pferdedecke lag als letzte Erinnerung an den Burschen, der dort direkt unter unseren Augen und doch unsichtbar Quartier bezogen hatte. Der Junge war fort, ohne ein Wort des Abschieds, ohne eine Spur, der ich folgen konnte.
    Über die Jahrhunderte hatte es immer wieder Feen gegeben, die sich menschliche Liebhaber nahmen, nicht, weil die irgendwie besser gewesen wären als Feen, aber wegen ihrer Bereitschaft, bedingungslos zu lieben und sich hinzugeben, ohne eine Gegenleistung zu verlangen – so etwas war ebenso tröstend wie schmeichelnd und die beste Art von Liebe, die man haben konnte. Ich war selbst schuld, wenn ich in diesem Haus verdorren würde. Jetzt noch Ersatz zu finden, würde schwierig sein. Von den Lakaien kam jedenfalls keiner in Frage, und der Butler erst recht nicht …
    Den Rest des Tages über hatte mich Rufus mit seinen Anweisungen gequält, mir Papier über Papiere gezeigt, Unterlagen zur Buchführung, die mich nicht interessierten. Wenn die Königin für meinen Unterhalt aufkommen wollte, sollte sie einfach dafür sorgen, dass all meine Rechnungen bezahlt wurden, und nicht erwarten, dass ich das selbst tat. Rufus lebte schon so lange unter Menschen, dass er sich an all diese Verwaltungsschikanen gewöhnt hatte – wie er sich immer noch als Wahre Fee bezeichnen konnte und sich auf der anderen Seite den Kopf über banale Haushaltslisten zerbrechen, begriff ich nicht. Ich hatte Angst, dass ich einmal genauso werden sollte; ich war ein zartes Geschöpf, geschaffen aus Legenden, genährt durch Träume, und das wollte ich auch bleiben dürfen. Fast bereute ich die Entscheidung des Mädchens. In ihr war ich in Sicherheit gewesen vor der Kälte dieser Welt, die an den Toren Hollyhocks nicht haltmachte.
    Das Bett, in dem ich lag, roch nach gestärkten Laken und Bettwäsche, frisch gehalten mit Lavendelblüten. Es war fremd und ungewohnt, all diese Eindrücke, die auf mich einprasselten. Bilder und Geräusche konnte ich ignorieren, indem ich die Augen schloss und meine Ohren taub stellte, doch atmen musste ich, und auch das Gefühl von rauhem Leinen auf meiner Haut konnte ich nicht ignorieren. Dass das Leben so anstrengend war, darauf hatte mich niemand vorbereitet. Ich hätte es kennen müssen aus meiner früheren Zeit in der Menschenwelt, doch ob ich die verdrängt hatte oder wirklich vergessen, wusste ich nicht. So oder so, ich war erst einen halben Tag Herrin dieses Körpers und schon mit meinen überreizten Nerven am Ende. Vielleicht war es doch ganz gut, dass ich das Haus bald für mich allein haben sollte. Es war dann weniger anstrengend.
    Dass dieses Zimmer noch vor kurzem der unglückseligen Blanche gehört hatte, war mir dabei völlig egal. Ich hätte erwartet, dass es mich ärgern würde, Rufus und Violet hatten lange genug Zeit gehabt, um das Haus auf meine Ankunft vorzubereiten, und das Argument, mich in die Auswahl der Ausstattung einbeziehen zu wollen, erschien mir wie eine müde Ausrede, aber

Weitere Kostenlose Bücher