Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
Vom Netzwerk:
nicht anlegen …« Wieder lachte er und rieb sich die Augen. »Du wirst sie schon noch alle kennenlernen, denke ich – du bist doch eine von uns, oder?«
    Da war sie, genau die Frage, vor der ich mich gefürchtet hatte. »So etwas in der Art«, sagte ich ausweichend. »Es tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.« Solange er als Nächstes nicht auch noch fragte, was ich um diese Uhrzeit im Keller suchte – ich konnte ja schlecht zugeben, dass ich am Herumschnüffeln war. »Ich … ich gehe dann lieber mal wieder.«
    Alan nickte. »Es ist noch zu früh zum Arbeiten. Freu dich, wenn du noch ein wenig Schlaf bekommst, aufstehen musst du schon früh genug.«
    Ich nickte schnell. »Dann schlaf gut«, sagte ich, und als ich mich umdrehte und die Treppe wieder hinauflief, fühlte ich mich seltsam verwirrt. Immer wenn ich dachte, ich wüsste, was Hollyhock für mich bereithielt, passierte etwas, mit dem ich ganz und gar nicht gerechnet hatte. Den Keller musste ich wohl ein andermal durchsuchen, wenn mir eine Möglichkeit einfiel, an Alan vorbeizukommen, ohne ihn dabei aufzuwecken. Falls es überhaupt jemals dazu kam; es war eigentlich eine kindische Vorstellung, das Haus auf den Kopf zu stellen, nur um herauszufinden, ob die Molyneux’ oder ihre tote Tante etwas zu verbergen hatten. Ich war nicht da, um Heldin zu spielen. Die Puppen waren schon gruselig genug, da konnte ich nicht noch eine Leiche im Keller gebrauchen …
    Aber weil ich trotzdem noch nicht wieder ins Bett wollte und mich im Kopf hellwach und arbeitsam fühlte, beschloss ich, doch noch etwas ins Puppenzimmer zu gehen. Nicht, dass mir die Vorstellung jetzt irgendwie mehr behagte – aber es hatte einfach praktische Gründe. Ich wollte dort Ordnung schaffen, ehe ich anfing, Puppe um Puppe zu untersuchen, und schauen, ob ich die restlichen Laken über den Möbeln behalten oder die verstaubten Dinger doch loswerden wollte. Ohne die ganzen Tücher würde das Zimmer vielleicht nur halb so gruselig aussehen, egal wie viele Puppen dann auch zum Vorschein kommen würden.
    Ich musste aber so arbeiten, dass niemand Verdacht schöpfte, versprochen war versprochen. Und gab es etwas Verdächtigeres, als wenn das neue Mädchen waschkorbweise Laken durch das Haus trug, wo jeder es sehen konnte? So nahm ich meinen Mut zusammen, schalt mich für meine Feigheit und ging mit meinem Licht zurück in das verbotene Zimmer. Dass mir dabei der Kellerjunge nicht aus dem Kopf ging, war eine andere Sache.
    Die Puppen erwarteten mich schon. Als ich mich durch die Tür schob, ohne die dabei weiter aufzumachen als unbedingt nötig – auch wenn niemand da war, ich wollte mich an die Geheimhaltung gewöhnen –, kam es mir einen Moment lang so vor, als drehten sich ihre Köpfe mir zu und starrten mich an. Aber das täuschte. Die Puppen auf der Kommode sahen immer so aus, als ob sie zur Tür blickten, und das änderte sich auch nicht, als ich mitten im Zimmer stand. Eigentlich reichten mir die schon völlig aus. Wollte ich wirklich alle anderen ebenfalls von ihren Laken befreien?
    Ich schüttelte den Kopf. Nacht hin oder her, ich sollte mich nicht so anstellen. Es waren immer noch nichts als Puppen. Ich mochte sie nicht, weil sie tot waren – dann sollte ich mich nicht beschweren, wenn sie mir lebendig vorkamen. So nickte ich ihnen zu, als ob sie mich sehen und hören konnten. »Ihr braucht gar nicht so zu glotzen«, sagte ich. »Sonst decke ich euch wieder zu und nehme nur den anderen ihre Laken ab.« Sie antworteten mir nicht, und darüber war ich froh.
    Als Erstes brauchte ich einen Tisch, auf dem ich die Lampe abstellen konnte. Sie sollte nicht zwischen den ganzen Puppen stehen, dass auf einmal ihre Kleider von der Hitze anfingen zu brennen. Ohnehin würde ich einen Tisch benötigen, wenn ich hier arbeiten sollte – ich konnte zwar auch auf meinem Schoß schreiben, wenn ich eine Schiefertafel hatte, aber wo es um Tinte und Füllfederhalter ging, brauchte ich eine feste Unterlage. In der Mitte des Zimmers, nah bei dem verhüllten Gebilde, das ich für einen Diwan oder etwas in der Art hielt, stand ein Tisch, aber auch dieser schien vollkommen unter Puppen zu verschwinden. Wie sollte ich so arbeiten? Schließlich entschied ich mich, die Lampe auf dem Kaminsims abzustellen. Der war zwar auch bis zum Boden verhängt, so dass der Kamin nur zu erahnen war, aber ich konnte eine Ecke frei räumen. Es würde schon kein Erdbeben geben in der Zwischenzeit. Hoffte ich.
    Dann spielte ich

Weitere Kostenlose Bücher