Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
Vom Netzwerk:
drei. Ihr Kober ist ganz hinten, wo sie niemanden stören, weder mit ihrem Mist noch mit ihrem Grunzen oder Anblick. Ich denke mal, du wirst sie noch nicht gesehen haben. Ich bin für die Tiere verantwortlich, ich schleppe ihnen das Fressen quer durch den Garten, all die guten Sachen, was die Molyneux’ übrig lassen, und manchmal zwack ich mir ein bisschen davon ab. Aber das verrätst du keinem, ja? Das ist unser Geheimnis.«
    Ich nickte ernst. Was Geheimnisse anging, hatte er eine Expertin gefunden, aber das brauchte er nicht zu wissen. »Ich verspreche es.« Auch wenn die Pasteten eigentlich Schweinefutter waren, machte sie das nicht weniger appetitlich, und selbst wenn sie von vorgestern sein sollten und seit gestern oder noch länger im Labyrinth lagen, ich konnte kaum erwarten zu erfahren, wie sie schmeckten. Was immer darin war, Steak und Nierchen oder Huhn und Pilze, ich hatte Hunger.
    »Sie sind etwas groß zum Abbeißen«, sagte Alan. »Aber wenn schon kein Geschirr da ist, habe ich zumindest ein Taschenmesser. Mit welcher wollen wir anfangen, der hier?«
    Ich nickte und schaute fasziniert zu, wie Alan die Pastete auf das Tischtuch bettete und mit dem Messer in drei Teile schnitt. Sie war wohl schon etwas trocken, es lief kein Bratensaft mehr heraus, aber wenigstens musste ich mir keine Sorgen machen, dass ich gleich ein weißes Kleid mit Streifen aus Soße tragen würde. Auf die paar Krümel konnte ich aufpassen. Vielleicht kamen gleich ein paar Spatzen angeflogen, die wir damit füttern konnten … Ich brauchte keine weitere Einladung mehr. Glücklich schlug ich meine Zähne in den Mürbeteig. Was auch immer in den Pasteten war – mit Fleisch, ob gehackt oder nicht, kannte ich mich nicht aus –, es war köstlich. Eingetrocknet, aber köstlich. Wenn ich mir vorstellte, wie das geschmeckt haben musste, als es frisch aus Mrs. Doyles Küche kam … Ich wollte mit den Herrschaften essen. Unbedingt. In diesem Moment war mir egal, wie seltsam mich Rufus auch anblicken mochte und wie unerträglich süß sich Violet immer gab, dieses Essen war das alles wert. Ich würde Mrs. Doyle in Zukunft mit anderen Augen sehen. Diese Frau war eine Künstlerin.
    »Gut, was?«, fragte Alan mit vollem Mund. »Warte, bis du den Wein dazu probiert hast.« Er reichte mir eine der beiden Flaschen.
    Ich nahm sie deutlich zögerlicher als die Pastete. »Was ist das?«
    »Rotwein«, antwortete Alan. »Mehr weiß ich auch nicht.«
    Wir versuchten, das Etikett zu lesen, aber es war auf Französisch, zumindest vermutete ich das, verstehen konnte ich es nicht. Ich hätte es gerne gelernt, direkt nach Russisch, der Sprache der großen Zirkusdirektoren, aber natürlich gab es so etwas für Waisenmädchen nicht. Das einzige Französisch, das ich kannte, war die Aussprache meines Namens, und ich fand, so viel schöner als auf Englisch klang das auch wieder nicht. Aber es war eigentlich egal. Mit Französischkenntnissen oder ohne, ich hatte von Wein keine Ahnung.
    »Und wir trinken aus der Flasche?«, fragte ich und bemühte mich, meine Unsicherheit zu überspielen. Es war eine Sache, ob mir Violet ein Glas mit einem Pfützchen Cognac aufnötigte oder ich eine fast volle Flasche Wein in der Hand hielt. Natürlich, Wein war nicht so stark wie Cognac, aber trotzdem.
    »Ist nicht besonders herrschaftlich«, entschuldigte sich Alan. »Aber probier mal, es macht Spaß.« Er zog den Korken aus seiner Flasche – das ging mit der Hand, ich schaffte es bei meiner sogar selbst –, setzte sie an den Mund und nahm einen Schluck.
    Ich schaute ihm zu, leckte mir nervös über die Lippen, dann machte ich es ihm nach. Ich musste ja nicht alles austrinken, den Korken hob ich für später auf. Zusammen mit dem Geschmack von Fleisch und Teig, der noch meinen ganzen Mund erfüllte, machte sich der Wein sehr gut. Ich konnte nicht sagen, woran er mich erinnerte und ob ich den Geschmack für sich genommen überhaupt mochte, aber in der Mischung war es großartig. Außerdem hatte ich Durst – das kam davon, wenn man eingetrocknete Pasteten aß. Ich stützte mich mit der einen Hand am Boden ab, mit der anderen hielt ich die Flasche und stellte mir vor, wie das wohl aussehen mochte: Miss Mountford hätte getobt, und der Gedanke gefiel mir. Wenn mir das offene Haar noch nichts Verruchtes gab, dann roter Wein, direkt aus der Flasche getrunken …
    Ich musste lachen, und das sollte man nicht tun, wenn man gerade trank. Mir schoss Wein in die Nase, und ich schlug mit

Weitere Kostenlose Bücher