Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
jene war, die Ehebruch begingen. Jetzt, wo er so etwas bei dem Erfinder sah, steigerte dies seinen Hass noch mehr.
Orffyreus’ Ehefrau war eine stolze und sehr hübsche Frau von durchaus akzeptablem Stand, und seine drei Buben hatten sich als brave, aufgeweckte Jungen gezeigt. Er hingegen war mit einer schrecklichen Person verheiratet gewesen, und für einen kurzen Augenblick hatte er damals sogar überlegt, diese gegen Orffyreus’ Ehefrau einzutauschen, wenn er erst einmal diesen Erfinder für immer ins Gefängnis geworfen oder gevierteilt hätte. Und nun betrog Orffyreus seine Ehefrau mit einer Magd!
In seiner Wut hatte er ein wenig zu dicht aufgeschlossen, und daher ließ er sich jetzt wieder zurückfallen. Satte Wiesen säumten den Sandweg. Sie kamen an einem kleinen Wasserbassin vorbei, an dessen Rand große Schwäne ruhten. Daneben kämpften zwei Erpel um die Gunst einer Ente. Dann waren sie auf Höhe des Irrgartens. Plötzlich riss Orffyreus sich von seiner Begleiterin los. Diese wandte sich beleidigt ab und stürzte auf den Eingang des Labyrinths zu. Orffyreus versuchte, sie einzuholen, was ihm nicht gelang. Während der Erfinder den Eintritt zahlte, verschwand die Magd zwischen den hohen Hecken des Irrgartens. Kurz darauf sah er auch Orffyreus nicht mehr.
Plötzlich spürte er eine seltsame Aufregung. Er wusste, dass dies eine einmalige Gelegenheit für ihn war. War der Park aufgrund seiner Weitläufigkeit schon einsam, so stellte der Irrgarten einen vollkommen unbeobachteten Ort innerhalb der Anlage dar. Die Tat würde erst entdeckt werden, wenn er schon lange wieder in der Altstadt war. Schnell bezahlte auch er den Jungen am Eingang und versuchte dabei, sein Gesicht zu verbergen. Der Knabe war vollkommen uninteressiert und schaute ihn nicht richtig an. Dann folgte er Orffyreus in das Labyrinth.
Kaum hatte er die erste Biegung hinter sich gelassen, zog er sein Messer. Sicher ruhte der Griff in seiner Hand. In den vergangenen Monaten hatte er gelernt, damit umzugehen. Er blieb stehen. Irgendwo hinter den Hecken in nördlicher Richtung hörte er eine Frauenstimme rufen. »Ich habe mich verirrt! Orffyreus, seid Ihr hier? Helft mir doch!«
Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich der nächsten Biegung.
69
Kassel
»Liebe Mitglieder des Bauausschusses, darf ich Ihnen vorstellen: Herr Frederik Margou. Er wird uns heute zu dem äußerst großzügigen Angebot bezüglich der Sanierung der Herkules-Figur auf dem Oktogon Rede und Antwort stehen.«
Margou grüßte freundlich in die Runde. Sie saßen in einem Sitzungsraum im Erdgeschoss des Kasseler Rathauses. Der Raum war spartanisch eingerichtet. In der Luft lag der Geruch von Bohnerwachs, und im grünen Bodenbelag spiegelten sich die Unterseiten der in die Jahre gekommenen Bestuhlung. Das grelle Neonlicht ließ die Gesichter der Anwesenden fahl erscheinen. Der Ausschuss bestand aus dreizehn Mitgliedern, die den verschiedenen Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung angehörten. Der Vorsitzende Bernhard Mulé hatte die Sitzung kurzfristig anberaumt. Es gab nur einen Tagesordnungspunkt: die angebotene Spende zur Sanierung des Kasseler Wahrzeichens.
Keine zwei Tage war es her, dass der Franzose ihn in seinem Büro kontaktiert hatte. Er stellte sich als Kunstwissenschaftler vor, der zugleich Vorsitzender von Culturesave war, einer Stiftung zum Erhalt des Kulturwesens. Der Stiftungszweck sah vor, dass jedes Jahr ein Betrag in Höhe von zehn Millionen Euro zur Rettung wichtiger Kulturgüter aufgewendet wird. Ursprünglich sollte dieser Betrag in die Renovierung der gotischen Burg Krasna Horka im Osten der Slowakei investiert werden. Da diese durch ein Großfeuer zerstört worden war, musste man die jährliche Spende nun kurzfristig neu vergeben.
»Wir verbreiten keine Hektik. Es ist nur so, dass die Statuten der Stiftung vorsehen, die Spende noch in diesem Monat einzusetzen«, übersetzte eine Dolmetscherin, die neben Margou saß. Margou war mit dieser Erklärung der Frage eines Abgeordneten der Grünen entgegengetreten, der sich über den Zeitdruck der Entscheidung beschwert hatte.
»Wir zwingen niemanden«, hob Margou anschließend hervor. »Wenn Sie nicht in der Lage sind, in der Kürze der Zeit eine Entscheidung zu treffen, haben wir Ausweichprojekte. Etwa den Schwimmkran ›Langer Heinrich‹ in Rostock, dessen erneute Sanierung überfällig ist.«
Ein beschwichtigendes Raunen ertönte unter den Zuhörern. Eine Vertreterin der Sozialdemokraten mit
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