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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Hausarzt gebeten, zu ihr zu kommen, damit er sich um Julias Wunde kümmerte. Er war der einzige Mensch, den wir während unseres Aufenthalts bei ihr zu Gesicht bekamen.
    Wichtiger als das, was während unseres Besuchs bei ihr gesprochen wurde, war das, was nicht gesprochen wurde. Manchmal schien es mir, als müsste man sich seinen Weg in dem Bungalow durch ein Meer nicht gestellter Fragen bahnen, die überall liegen geblieben und zu Stolperfallen geworden waren. Ingrid fragte nicht mehr, warum wir am frühen Morgen im Schlafanzug bei ihr aufgetaucht waren und Julia eine Schnittwunde am Knie hatte. Julia wiederum hatte bereits am ersten Tag herausbekommen, dass mein besonderes Verhältnis zu Ingrid irgendwie mit dem »Vorfall« zusammenhing, der mich meine Zulassung als Patentanwalt gekostet hatte und über den ich nicht reden wollte, und stellte daher keine Fragen zu diesem Thema. Und ich vermied es, in irgendeiner Weise auf Ingrids Vergangenheit einzugehen, um keine alten Wunden aufzureißen. Lediglich einmal kamen wir darauf zu sprechen, als Julia sich nach einer der Dampfmaschinen auf der Wohnzimmeranrichte erkundigte.
    »Die gehörte meinem Siggi«, antwortete Ingrid und blickte traurig auf das Modell. »Er hat Dampfmaschinen geliebt. Nebenan stehen noch mehr. Obwohl sie sehr viel wert sind, habe ich es nicht übers Herz gebracht, sie zu verkaufen.«
    »Siggi war Ihr Ehemann?«, erkundigte sich Julia vorsichtig.
    Ingrid nickte und fügte traurig hinzu: »Er hat sich das Leben genommen.« Dann lächelte sie und zeigte zu mir hinüber. »Wenn es Robert nicht geben würde, hätte ich es Siggi vermutlich gleichgetan.«
    Als ich sah, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten und Julia sich mit Hilfe suchenden Blicken zu mir wandte, sprang ich auf und versuchte, die Dampfmaschine in Gang zu setzen. Nach kurzer Zeit beruhigten sich alle wieder, und um uns herum entstand ein noch größerer Berg nicht gestellter Fragen.
    Zu Anfang genossen Julia und ich die Ruhe. Wir schliefen viel und lange und wurden mit den besten Speisen beköstigt, die Ingrid zubereiten konnte. Da wir das Haus lieber nicht verlassen wollten, um niemanden auf uns aufmerksam zu machen, vertrieben wir uns die Zeit mit Lesen, Fernsehen und Spielen. Als es Julia schließlich besser ging, wurde es Zeit, unsere Reise fortzusetzen.
    Lange diskutierten Julia und ich, was wir nun unternehmen sollten. Wir gelangten zu der Erkenntnis, dass wir nicht länger nur wegrennen konnten. Wir mussten herausbekommen, wer hinter uns her war und warum man uns verfolgte.
    »Aber wie können wir das herausfinden?«, rief Julia. »Ich möchte diese Kerle ungern treffen und sie das fragen.«
    »Aber wir kennen jemanden, der es weiß und den wir aufsuchen können.«
    »Und wer soll das sein?«, fragte Julia.
    »Thor«, antwortete ich. »Wir fahren zu Thor nach Mainz!«
    »Zu Thor?«, sagte Julia erschrocken.
    »Er steckt mittendrin. Also gehen wir zu ihm und stellen ihm ein paar Fragen.«
    »Und wenn die dort auf uns warten?«, gab Julia zu bedenken.
    »Ich glaube nicht, dass sie damit rechnen, wir könnten dort auftauchen. Wer würde so blöd sein und zu der Person fliehen, die ihn verraten hat?«
    »Ja, wer würde so blöd sein?«, erwiderte Julia, und ich sah in ihren Augen ein merkwürdiges Flackern.
    Wir schmiedeten die halbe Nacht einen Plan, wie wir uns Thor am besten nähern konnten, bevor wir uns am nächsten Tag von Ingrid verabschiedeten. Sie gab uns für die Fahrt in Alufolie gewickelte Hähnchenschenkel und Sandwiches mit. Sie weinte, als wir uns zum Abschied umarmten. Verwundert entdeckte ich auch bei Julia eine Träne, die sie zu verbergen versuchte.
    Wir waren schon im Begriff loszufahren, als Ingrid mich bat, zu warten, und noch einmal in das Haus lief. Sie kam mit einem Blatt Papier in der Hand zurück.
    »Hier ist noch die Kopie meines Personalausweises für das Gericht!«, sagte sie ganz außer Atem und reichte mir den Zettel durch das geöffnete Autofenster. Ich reichte ihn an Julia weiter, die auf dem Beifahrersitz neben mir saß.
    Das italienische Gericht hatte auf die von mir eingereichte Klage um die Übersendung einer Kopie des Personalausweises von Ingrid gebeten, um sie für die Klage zu legitimieren. Bei Klagen von Ausländern war dies wohl in Italien üblich. Wir verabschiedeten uns noch einmal durch das Autofenster, und ich startete den Motor.
    »Jetzt verstehe ich deine Vorliebe für ältere Damen«, meinte Julia, als wir langsam vom Hof

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