Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
ein Reiter des Casseler Hofs die Baupläne für den Bergpark mitsamt den Kaskaden und dem Riesenschloss. Ich ergänzte darin meine Vorgaben.«
»Vorgaben?«, wiederholte sie.
»Der Ort, an dem das Perpetuum mobile aufgestellt werden sollte. Es sollte nicht nur eine Maschine werden, sondern sich als Kunstwerk in die Anlage und Landschaft einfügen, so wie sich ein einzelner Pinselstrich in ein Gemälde einfügt.«
»So sehr hat er Euch vertraut, dass er in Vorleistung ging?«, wunderte sich Anne Rosine.
»Der Landgraf hat eben ein gutes Gespür für Menschen«, entgegnete Orffyreus beleidigt. »Zudem demonstrierte ich ihm in Italien meine Erfindung am Beispiel eines Drehspießes!«
»Eines Drehspießes?«, fragte die Magd und runzelte die Stirn.
»Die Mönche im Kloster betrieben ihren Bratenwender mithilfe von Hunden in einem Laufrad. Sie hatten dafür im Verlauf der Jahrhunderte sogar eine eigene Rasse mit besonders kurzen Beinen gezüchtet. Einen halben Tag hatten die Hunde abwechselnd zu laufen, bis der Braten gar war. Ich führte dem Landgrafen am zweiten Tag eine Konstruktion vor, die mit nur einem einzigen Anschwung den Spieß drehte, bis das Fleisch braun und knusprig gebraten war. Der Landgraf zeigte sich ebenso beeindruckt wie die Mönche.«
»So habt Ihr den Landgrafen letztlich mit einem Braten überzeugt!«, amüsierte sich die Magd.
»Wenn du so willst. Wir verabredeten, dass ich ihm das Prinzip meiner Erfindung offenbaren werde, sobald sie vollendet ist. Dieses Versprechen habe ich nach meiner Ankunft nun eingelöst. Der Landgraf schwor im Gegenzug, das Geheimnis für sich zu behalten. Jetzt bin ich hier, um zu vollenden, was wir gemeinsam begonnen haben.«
»Aber mit der Gunst des Landgrafen habt Ihr ausgesorgt. Es gibt keinen Grund, länger damit zu warten, unsere Beziehung öffentlich zu machen«, forderte die Magd.
Orffyreus lachte verächtlich. »Was meinst du, wie man am Casseler Hof reagieren würde, wenn ich Barbara zum Teufel jage und mit meiner Dienstbotin vorstellig werde?«
»Ich denke, es würde niemanden kümmern!«, antwortete Anne Rosine. »Auch der Landgraf lebt schließlich in aller Öffentlichkeit mit seiner Mätresse zusammen.«
»Seine Ehefrau ist gestorben, und er hat sie sehr geliebt. Das ist etwas vollkommen anderes.«
»Heißt das, Barbara muss erst sterben, bis Ihr zu mir steht?«, fragte sie.
Orffyreus blieb abrupt stehen und fasste die Magd am Arm. »Was willst du damit andeuten?«
»Überhaupt nichts!« Die Magd riss sich los und drehte sich weg von Orffyreus. »Oh, schaut, der Irrgarten ist nun auch fertiggestellt!«, rief sie plötzlich entzückt aus und rannte auf den Eingang des Labyrinths zu, das sich direkt neben ihnen befand. Orffyreus hastete hinter ihr her.
»Gib mir eine Antwort!«, rief er, während er ihr nachsetzte.
Die Magd war unterdessen bereits an einem Holzhäuschen am Eingang des Irrgartens angelangt, in dem ein Knabe saß. »Zwölf Groschen Eintritt verlangt er«, teilte sie Orffyreus mit, als er sie erreicht hatte. »Seid so gut und zahlt es.« Die Magd huschte am Häuschen vorbei und verschwand in einem schmalen Gang, der mitten hinein in die mannshohen Hainbuchenhecken führte.
Der Knabe grüßte Orffyreus höflich. Widerwillig kramte dieser aus seinem Gehrock ein paar Münzen heraus und warf sie dem Jungen hin. Dann folgte er der Magd.
»Bleib sofort stehen!« Viel weiter vorn hörte er das ausgelassene Lachen von Anne Rosine, die bereits um die nächste Ecke gebogen war.
»Mir ist nicht zum Scherzen. Warte auf mich!«, brüllte Orffyreus und folgte seinerseits dem schmalen Pfad. Vor ihm lag ein etwa vier Schritte langer Gang, der am Ende eine Biegung nach links machte. Die vorausgeeilte Magd war schon nicht mehr zu sehen.
Irgendwo hinter der hohen Hecke zu seiner Linken hörte er sie plötzlich rufen: »Hier bin ich! Fangt mich doch!«
Wütend eilte Orffyreus ihr hinterher. Dann blieb er stehen und lauschte. Als er in der Ferne wieder nur ein lautes Lachen vernahm, stürzte er los. Auch hinter der nächsten Kreuzung fand er keine Spur von ihr. Er lief einen Gang entlang, der sich jedoch am Ende teilte.
»Kehr um! Hörst du? Ich befehle es dir!«, rief Orffyreus, der inzwischen vollkommen außer Atem war.
Nach einer Weile vernahm er in einiger Entfernung die verzweifelte Stimme der Magd. »Ich habe mich verirrt! Orffyreus, seid Ihr hier? Helft mir doch!«
67
Sechs Tage blieben wir bei Ingrid in Göttingen.
Sie hatte ihren
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