Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Dank dafür, verehrter Baumeister!« Er sprach mit einem breiten sächsischen Dialekt, ohne dabei mit dem Klatschen aufzuhören. Irritiert sah Orffyreus auf. Da er durch das einströmende Licht geblendet wurde, erkannte er nur die Umrisse eines elegant gekleideten Herrn mit einer beachtlichen Haartracht auf dem Kopf, die der seinen an Eleganz noch überlegen schien.
»Vielen Dank; nun seid bitte so freundlich und nennt mir Euren Namen, damit ich auch Euch dieses Augenzeugnis hier ausstellen kann«, erwiderte Orffyreus und setzte den Federkiel an.
Der Fremde überhörte auch diese Aufforderung einfach und deutete auf das Rad. »Ich würde etwas darum geben, wenn ich einen Blick in das Innere Eurer Maschine werfen dürfte. Die Mechanik muss von ganz besonderer Anordnung sein. Sie läuft tatsächlich noch genau im selben Takt.«
Bei den letzten Worten zog der Mann eine goldfarbene Taschenuhr aus seinem Gehrock, las die Zeit ab, schaute dann zum Rad und zählte halblaut vor sich hin, während er Orffyreus nicht mehr beachtete. Orffyreus erhob sich nun von seinem Schemel und schaute auf den Mann herab, der deutlich kleiner war als er selbst. Er blickte in das freundliche Gesicht eines älteren Mannes, in dessen Mitte sich eine Nase von imposanter Größe befand. Eine schwarze, durch einen Mittelscheitel geteilte Perücke schmückte seinen Kopf und fiel bis weit über die Schultern. Zwei sehr kleine, aber überaus aufmerksame Augen fixierten das Perpetuum mobile. In die Wangen hatten sich Lachfalten eingegraben, die von einem lebensbejahenden, wenn nicht gar fröhlichen Menschen kündeten. Seine rechte Hand stützte der Mann auf einen Gehstock. Durch die gespreizten Finger erkannte Orffyreus einen großen, silbernen Knauf in der Form eines Löwenkopfes. Bei der Zahl fünfzig angekommen, klappte der Mann die Taschenuhr mit einem lauten Geräusch zu, sodass Orffyreus unwillkürlich zusammenzuckte.
»Konstant fünfzig Umdrehungen: keine mehr, keine weniger«, gab der Mann mit einem Lächeln zu Protokoll. »Genauso viele wie noch vor sechs Minuten. Ich vermute, dem Geräusch nach zu urteilen, dass es acht Gewichte sind, richtig?« Er sah Orffyreus erwartungsvoll an, wie ein Lehrer, der seinen Schüler abfragte.
Orffyreus schien in einem Reflex kurz gewillt, Antwort zu geben, schüttelte sich dann jedoch und machte einen Schritt zurück. »Mein Herr, Euer Interesse für meine Erfindung ehrt mich. Aber – abgesehen davon, dass ich erklärt habe, niemandem Einblick in das Innere meiner Maschine zu gewähren – glaubt mir, es würde Euch nichts bringen. Es wäre ein nutzloser Blick. Es verbirgt sich dort eine zu komplexe Mechanik, an der ich fast mein Leben lang geforscht habe. Gewichte, Federn, Seile, Hebel, Zahnräder. Es würde Euch mit Sicherheit überfordern. Glaubt mir!«
»Überfordern?«, fragte der Fremde, aus dessen Gesicht das gutmütige Lächeln kurz verschwand. Offenkundig war er im ersten Augenblick versucht, etwas zu antworten, was er sich dann jedoch verkniff. Er blickte zur Maschine, dann zu Orffyreus, welchen er von unten nach oben musterte, und fand schließlich sein Lächeln wieder.
»Tut mir einen Gefallen, und besucht mich und meinen Freund, den Herzog Wilhelm von Sachsen-Zeitz, auf Schloss Moritzburg«, fuhr der Fremde fort. »Vielleicht an diesem Sonntag. Und bringt diesen überaus interessanten Entwurf eines Perpetuum mobile dort möglichst mit. Der Herzog wird ihn ebenfalls bewundern wollen.« Er deutete auf die Apparatur in seinem Rücken.
Die Worte zeigten Wirkung. Orffyreus taumelte ein wenig zur Seite, ließ sich, um dies zu verbergen, auf den Hocker neben sich niedersinken und schaute zu dem Mann hinauf. »Ihr meint zum Herzog höchstpersönlich?«
»Wie ich sagte«, antwortete sein Gegenüber mit an Überheblichkeit grenzendem Edelmut. »Die Cour beginnt sonntäglich gegen zwei Uhr mittags. Vielleicht gebt Ihr eine Privataufführung für den Herzog und seine Gäste?«
»Aber sicher doch«, antwortete Orffyreus mit lauter Stimme, der wieder zu sich gefunden hatte. »Ich werde kommen, und das Perpetuum mobile wird mir folgen! Überbringt dem Herzog meinen besten Dank und meine Ehrerbietung für diese Einladung.«
»Das werde ich. Die Freude ist auf meiner Seite und der des Herzogs!« Der edle Herr machte Anstalten, aus der kleinen Scheunentür hinauszugehen.
»Euer Name noch, für das Zertifikat!«, rief Orffyreus ihm hinterher und griff ein weiteres Mal nach dem Federkiel.
Der Fremde
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