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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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blieb an der Tür stehen und wandte sich noch einmal um. Mit dem Gehstock deutete er auf den Tisch. »Eure Urkunde da – die benötige ich nicht. Ich war schon Augenzeuge bei so vielen großartigen Ereignissen. Hätte ich von all diesen Gelegenheiten in meinem Leben ein schriftliches Zeugnis meiner Anwesenheit erhalten, ich bräuchte eine eigene Bibliothek dafür zur Aufbewahrung. Spart das Papier lieber, junger Mann; Papier ist sehr wertvoll. Viel wertvoller als gemeinhin angenommen.« Er lächelte weise.
    »Nennt mir wenigstens Euren Namen, mein Herr«, bat Orffyreus. Er drückte die Hand gegen seine Augenbrauen und versuchte so das eindringende Licht abzuwehren, das ihn blendete.
    »Oh, den kann ich Euch natürlich sagen, verzeiht mein Versäumnis: Gottfried Wilhelm Leibniz. Vielleicht habt Ihr schon einmal von mir gehört?« Ohne die Antwort abzuwarten, verließ Leibniz die Scheune und machte sich, seinerseits geblendet vom hellen Sonnenlicht, mit vorsichtigen kleinen Schritten auf die Suche nach der Kutsche, die auf ihn wartete.
    »Und ob ich schon von Euch gehört habe, Professor!«, murmelte Orffyreus ungläubig dem ins Licht verschwundenen Mann hinterher. Er saß immer noch auf dem Hocker, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Und ob«, wiederholte er.
    Im Hintergrund drehte das Rad derweil unermüdlich weiter seine Runden.

7
    »Ich werde das Mandat niederlegen«, erklärte ich, nachdem ich das leere Cognac-Glas abgesetzt hatte. Ich stellte mir kurz vor, wie ich meinem Senior-Partner von dieser Unterhaltung berichten würde, den mein Mandant in unserem Gespräch so vertraut als »Hans« bezeichnet hatte. Offenbar waren sie befreundet. Eventuell würde das mit der Mandatsniederlegung schwieriger werden, als von mir soeben dahingesagt.
    Sie lächelte. »Er wird sich einen neuen Anwalt nehmen. Vermutlich einen, der noch besser ist als Sie. Er ist reich.«
    Ich war etwas beleidigt. »Denken Sie, ich bin kein guter Anwalt?«
    Sie schaute mir fest in die Augen und wählte ihre Worte mit Bedacht. »Wären Sie ein sehr guter Patentanwalt – würden Sie dann hier sitzen, bei der Gegnerin Ihres Mandanten?«
    Ich suchte nach einer empörten Antwort, fand aber keine. Nach kurzem Nachdenken deutete ich auf das leere Cognac-Glas. »Kann ich noch einen haben?«
    Meine Gastgeberin erhob sich und schenkte uns beiden ein. Wir saßen eine Weile zusammen und hingen unseren Gedanken nach.
    Mandantenverrat – also das Beraten des Gegners hinter dem Rücken seines Mandanten – war so ziemlich das Schlimmste, was ein Anwalt oder Patentanwalt tun konnte. Ich ließ meinen Blick über die Frau, die mir gegenübersaß, gleiten. Nachdem sie mir die Geschichte erzählt hatte, strahlte sie eine gewisse Ruhe aus. So als wenn jedes Mal, wenn Sie ihre Erlebnisse teilen konnte, tatsächlich ein Stück der Last von ihr abfallen würde. Ich hingegen konnte diese Last nun auf meinen Schultern spüren. Ich schaute auf die Anrichte. Nebeneinander standen dort mehrere Dampfmaschinen aufgereiht. Offensichtlich hatte diese Sammlung Siggi gehört. Ich sah hinüber zu der Sitzgarnitur. Auf welchem Sessel hatte er wohl immer gesessen, wenn er abends in den alten Röhrenfernseher geschaut hatte? Das Fehlen eines Menschen zu spüren war eigenartig.
    Plötzlich kam mir eine Idee. »Waren Sie schon einmal in Italien?«, erkundigte ich mich.
    Sie schaute mich irritiert an. »Ganz früher einmal. Am Gardasee.«
    »Wissen Sie, was ein Torpedo ist?«, fragte ich.
    »Ein Torpedo?«, wiederholte sie verwundert. »Ich denke, das ist eine Unterwasserrakete oder so etwas Ähnliches.«
    Ich nickte. »Dann werde ich Ihnen jetzt einmal eine Geschichte erzählen. Von einem italienischen Torpedo.«
    Mein Herz klopfte aufgeregt.

8
    London, 1714
    Die Royal Society, die einst im Gresham College gegründet worden war, hatte vier Jahre zuvor ihren Sitz an den Crane Court, Ecke Fleet Street, verlegt. An Tagen, an denen die Mitglieder sich trafen, um Experimente durchzuführen und ihre regelmäßigen Sitzungen abzuhalten, brannte draußen vor dem Eingang die Laterne.
    So auch heute.
    Immer wieder hielten Kutschen vor dem Gebäude, um vornehm gekleidete Männer abzusetzen, die rasch – und ohne Aufsehen zu erregen – in dem nur wenige Schritte entfernten dunklen Eingang verschwanden. Über dem Tor war in verschnörkelten Lettern als schmiedeeiserner Schriftzug das Credo der Gesellschaft angebracht: Nullius in Verba .
    Während die Mitglieder sich in dem

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