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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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es vor, dass Neugierige wegen Überfüllung der Scheune abgewiesen werden mussten.
    In der Umgebung hatte es sich herumgesprochen, dass der Arzt auf dem Rittergut ein wissenschaftliches Experiment von ganz außergewöhnlicher Natur vorführen würde. Das Ganze erinnere an einen Gottesdienst, erzählten sich die Leute, und es sei jedes Christen Pflicht, dieses wenigstens einmal gesehen zu haben. Überall in den umliegenden Gemeinden waren große Plakate aufgestellt worden. Sie zeigten die Zeichnung eines Mannes, der mit einer Gerte in der einen und einer Peitsche in der anderen Hand eine große Apparatur zu bändigen versuchte. Der Zeichner hatte die Maschine mit zwei zusammengekniffenen, bösartig blickenden Augen und einem großen Maul mit scharfen Zähnen versehen. Der Text darunter kündete von einer Zähmung der Naturkräfte – vorgenommen durch den vom Herrgott dafür auserwählten Orffyreus. Außerdem waren Tageszeiten angegeben, zu denen diesem Ereignis auf dem Rittergut vor den Toren von Draschwitz beigewohnt werden konnte. Dieselben fantastisch bebilderten Mitteilungen wurden überall auch auf kleinen Handzetteln verteilt.
    Nachdem nun alle Bänke besetzt waren, schlossen die Knechte unter großem Protest der noch Wartenden das große Scheunentor, in dem sämtliche Löcher mit Wachstuch vernagelt worden waren, damit auch kein Schaulustiger, ohne zu bezahlen, hineinschauen konnte. Jetzt war es in der Scheune stockdunkel. Der Geruch von frisch gesägtem Holz und Schweiß lag in der Luft.
    Plötzlich erhob sich ein Trommeln, das stetig lauter wurde, bis unvermittelt eine sich überschlagende Frauenstimme rief: »Orffyreus, der vom Herrn auserwählte Schöpfer des triumphierenden Perpetuum mobile.«
    In selben Augenblick wurde in der Mitte des Raumes eine Fackel entzündet, deren flackerndes Licht gerade ausreichte, um die Umrisse einer vor ihr stehenden Person auszuleuchten.
    »Es sollen Euch Eure Sünden vergeben werden, da Ihr nun hier erschienen seid, um das Perpetuum mobile in seiner wahren Schönheit zu bestaunen!« Orffyreus sprach langsam und mit dem tragenden Tonfall eines Priesters. »Damit Ihr rein genug seid, um das, was Ihr sogleich seht, in Euch aufzunehmen, möchte ich zuvor jedoch, dass wir gemeinsam beten. Lasset uns dem Herrn danken, dass er uns das, was ich Euch gleich präsentieren werde, geschenkt hat.« Dann schmetterte er ein Gebet in die Dunkelheit der Scheune hinein: »Heiliger, allmächtiger Gott! Du hast Himmel und Erde geschaffen, Tag und Nacht, Licht und Schatten, Raum und Zeit, Vergänglichkeit und die Ewigkeit. Tiere, Pflanzen und Menschen rühmen deine Macht und Herrlichkeit. Gib uns Menschen, denen du deine unendliche Liebe schenkst, gib uns aufrechten Glauben und den Willen, die Weisheit und die Tapferkeit, dem Bösen zu widerstehen. Amen.«
    Kaum war das »Amen!« verhallt, das alle Anwesenden ehrfürchtig mitgesprochen hatten, wurden überall Fackeln entzündet; und das Licht ließ in der Mitte des Raumes ein großes, aus Holz gezimmertes Rad erkennen, das zwischenzeitlich dorthin geschoben worden sein musste. Zu beiden Seiten postierten sich die beiden ältesten Moser-Brüder, von denen jeder ein langes Schwert in der Hand hielt.
    »Diese Männer«, erläuterte Orffyreus und deutete auf die beiden Wächter, »dienen nur Eurem Schutz. Denn diese Maschine dort ist unberechenbar!«
    Orffyreus registrierte mit Genugtuung ein angstvolles Stöhnen im Publikum. Dieses Mal würde niemand versuchen, sich dem Rad zu nähern – und wenn doch, würden die Schwerter ihr Übriges tun.
    »Ich werde das Perpetuum mobile nun loslassen«, kündigte Orffyreus an. Xaver eilte herbei und übergab ihm ein langes Messer.
    Mit der Schneidwaffe in der Hand ging Orffyreus hinüber zum Rad. Von diesem führten drei dicke Seile zu einem Pfosten, an den das Rad festgebunden war. Mit zwei gezielten Hieben schlug Orffyreus zwei der Taue durch, sodass nur noch eines der Seile das Rad hielt. Es war deutlich zu sehen, dass das Rad an dem verbleibenden Seil zerrte und zog. Alle befürchteten, das Tau würde jeden Augenblick nachgeben und reißen.
    »Wie Ihr seht, wertes Publikum, muss dieses Rad daran gehindert werden, sich zu drehen. Die Bewegung ist seine Natur. Wenn es nicht aufgehalten wird, dreht es sich in einem fort. So wie Gott unaufhaltsam auf dieser Erde wirkt, so unaufhaltsam dreht sich dieses Rad.«
    In der Scheune herrschte gespannte Stille, und niemand unter den Zuschauern wagte es, auch nur zu

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