Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
abgebrühter, als ich dachte, oder sie hatte mit der Sache wirklich nichts zu tun.
Der Regen wurde immer stärker.
Ich suchte nach dem nächsten Ausgang und sah, wie der Obdachlose mit dem Einkaufswagen langsam zu mir aufholte. Auf Höhe der Eisbahn fand ich endlich eine Fußgängerbrücke, die aus dem Park hinausführte.
Als ich über die Brücke lief, warf ich einen letzten Blick auf den Obdachlosen. Zu meiner Überraschung war er nicht allein, sondern unterhielt sich mit einem gut gekleideten Mann in einem blauen Regenmantel, der ihm etwas entgegenhielt. Heute schien sein Glückstag zu sein.
18
Draschwitz, 1714
Über Nacht war Orffyreus verschwunden.
Mit dem Einbruch der Dunkelheit hatten seine Gehilfen damit begonnen, die drei Wagen hektisch zu beladen. Auch seine Ehefrau, die Magd und die Kinder schleppten allerhand Gegenstände herbei und verstauten sie auf der Ladefläche des Pritschenwagens.
Orffyreus selbst war damit beschäftigt, an dem Rad im Schuppen zu schrauben. Schließlich nahm er eine Axt und zerstörte es mit gezielten, kräftigen Hieben gegen die tragenden Teile, bis es unter seiner eigenen Last zusammenbrach.
Das Gittertor wurde geöffnet, und Orffyreus und sein Gefolge verließen das Rittergut, das länger als zwei Jahre ihre Heimat gewesen war. Auf dem letzten Wagen zeichneten sich im Mondschein die Konturen eines mannshohen Holzkreuzes ab, das bei jeder Bodenwelle an seinen Seilen zerrte, die es auf der Ladefläche hielten.
Zurück blieb eine Scheune, in der ein großer Haufen zerschlagener Bretter lag, um den herum Bänke aufgestellt waren.
Beobachtet wurde der Abzug von zwei Gestalten im Herrschaftshaus, dessen Putz sich in großen Blättern löste. Sie hielten sich im Halbdunkel des Salons versteckt und blickten durch eines der Fenster hinaus.
Es waren ein älterer Mann und eine kaum jüngere Frau, deren Busen unter ihren unterdrückten Weinkrämpfen heftig bebte.
19
Als ich zu Hause ankam, war ich klitschnass vom Regen. Ich hatte gerade eine warme Dusche genommen und mir trockene Sachen angezogen, als mein Mobiltelefon läutete.
Erneut war es Julia Wall.
»Fehlen wirklich vier Platten?«, fragte sie ohne Begrüßung.
»Ja, und mit den restlichen Platten wurde gedruckt«, antwortete ich.
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Thor … Er meinte, die Platten seien wertlos.«
»Eben.«
»Was wollen Sie jetzt machen?«, wollte sie wissen.
»Zur Polizei gehen? Immerhin handelt es sich um einen Diebstahl …«
»Kommen Sie zu mir«, forderte sie mich auf.
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
»Wir haben hier in der Bibliothek eine Möglichkeit, mit den Platten zu drucken. Ich denke, es wird Zeit, dass wir uns einmal den Inhalt anschauen.«
»Jetzt?« Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach acht Uhr abends.
»Ich bin hier. Rufen Sie an, wenn Sie da sind; ich öffne Ihnen dann unten die Tür. Haben Sie etwas zu schreiben? Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer.«
Eine halbe Stunde später stand ich vor der Staatsbibliothek. Mit den braun getönten Fensterscheiben wirkte das Gebäude um diese Zeit noch dunkler und verlassener als am Tag. Ich wartete, dass die Restauratorin mich hineinließ. Endlich flackerte hinter den Fensterscheiben ein Licht, und schließlich öffnete sich eine Tür direkt neben dem Haupteingang.
»Guten Abend«, begrüßte ich sie.
»Kommen Sie mit, wir müssen in den Keller!«
Sie ging schnurstracks auf die Fahrstühle zu, und ich folgte ihr. Nur die Notbeleuchtung war an.
»In den Keller?«, fragte ich.
»Ich habe mich umgehört. Ein älterer Kollege hat sich daran erinnert, dass in einem der Kellerräume eine alte Druckwalze steht. Ich habe sie mir vorhin angeschaut, und ich denke, wir können sie zum Drucken benutzen.«
Während wir im Fahrstuhl nach unten fuhren, überkam mich ein Anflug von Platzangst. Wenn wir jetzt stecken bleiben, dachte ich, kommen wir vor morgen früh hier nicht mehr raus. Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis sich die Fahrstuhltüren wieder öffneten.
Als wir aus dem Lift traten, schaltete sich automatisch die Deckenbeleuchtung ein. Wände und Boden waren aus nacktem Beton. Wir gingen nur wenige Meter, dann blieb die Restauratorin vor einer knallgrünen Tür stehen, holte ihren Schlüsselbund hervor und schloss auf. Wir betraten einen fensterlosen Lagerraum. Mehrere Stapel Stühle, Flipcharts und leere Bücherwagen versperrten uns den Weg. In einer Ecke
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