Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Eures Ansinnens die von mir verfassten Zeilen überreicht, sollte deren Teilnahme gesichert sein. In Erwartung Eures Berichts verbleibe ich Monsieur,
vostre tres humble, et tres obeissant serviteur Leibniz«
Elias brachte seinem Vater das Päckchen mit dem Brief von Leibniz und den vorgefertigten Empfehlungsschreiben in die Werkstatt. Für ihn war es ein willkommener Grund, sich dort ausnahmsweise einmal Zutritt zu verschaffen. Auch jetzt empfand Orffyreus, der gerade mit der Ausrichtung einer Seilvorrichtung beschäftigt war, das Erscheinen seines Zweitältesten keineswegs als willkommen. Kaum hatte sein Sohn ihm das Bündel Papier ausgehändigt, drückte Orffyreus ihm eine Münze in die Hand. Dann wuschelte er ihm freundschaftlich durch die Haare und schob ihn wieder hinaus ins Freie.
Orffyreus las den Brief mit großer Genugtuung. Der alte Leibniz meinte es offenbar tatsächlich ernst mit der zugesicherten Unterstützung beim Verkauf der Apparatur. Dann betrachtete Orffyreus die zwölf Kuverts mit den Empfehlungsschreiben, auf denen in penibler Handschrift die Namen der jeweiligen Empfänger standen. Diese Gelehrten sollten also der Zertifizierung seines Perpetuum mobile als Zeugen beiwohnen. Einige der Namen, wie der des Professors Christian Wolff von der Universität Halle oder der des Geschichtsprofessors Johann Mencke, waren Orffyreus bekannt. Von anderen hatte er indes noch nie gehört.
Bis zum Abend hatte er alle Vorkehrungen getroffen, um sich am nächsten Tag auf eine Rundreise zu begeben. Mithilfe seiner Gastgeber auf dem Grünen Hof gelang es ihm, die Adressen aller zwölf Gelehrten, die es aufzusuchen galt, ausfindig zu machen und eine Route festzulegen. Die meisten hatten ihr Domizil im Umkreis von gerade einmal einer Tagesreise, was ein Grund dafür gewesen sein dürfte, dass Leibniz gerade sie ausgewählt hatte. Die Tatsache aber, dass die Wohnorte in alle Himmelsrichtungen verteilt waren, machte eine mehrtägige Reise erforderlich.
Am späten Abend fand Orffyreus sich in der Werkstatt ein und enthüllte seine in Tücher eingeschlagene Mechanik. Bis weit nach Mitternacht war er damit beschäftigt, sie zu zerlegen. Die einzelnen Bestandteile legte er sorgfältig und in bestimmter Reihenfolge in sechs Kisten. Acht Teile jedoch wanderten nicht in eine der Kisten; sie verstaute er in einer Ledertasche, die er mit sich zu nehmen beabsichtigte. Nach den Geschehnissen der vergangenen Wochen wollte er es nicht riskieren, das Herz seines Perpetuum mobile in funktionsfähigem Zustand zurückzulassen.
Nach wenigen Stunden Schlaf brach Orffyreus am frühen Morgen auf. Barbara und die Kinder lagen noch im Bett, sodass er ohne Abschiedsgruß davonfuhr.
Er nahm Gustav und Paul mit, die sich auf dem Kutschbock abwechselten. Die Reise war in dieser Jahreszeit recht beschwerlich. Nur wenige Meilen führte ihr Weg über die besser ausgebaute Postroute, dann mussten sie von den großzügigeren Hauptwegen abbiegen und sich über schmale und zumeist verschlammte Feldwege kämpfen. Immer wieder wurde die Fahrt unterbrochen, weil entgegenkommende Kutschen passieren wollten oder Gegenstände den Weg blockierten. Einmal musste Orffyreus selbst mit Hand anlegen, als es den zwei Burschen nicht gelang, eine junge Birke zur Seite zu räumen. Laut fluchend säuberte Orffyreus danach seine verschlammten Stiefel und kündigte ihnen die Kürzung ihrer Löhne an.
Am zweiten Tag der Reise setzte Dauerregen ein, und die Kutsche fuhr sich immer wieder fest. Orffyreus musste mehrmals aussteigen, damit Gustav und Paul mithilfe langer Stöcker die Räder der Kutsche aus dem Morast befreien konnten. Als auch sein letztes Tuch schmutzig war, gab er den Versuch auf, seine Stiefel vom Schlamm zu befreien.
So erschien es Orffyreus schließlich wie ein Wunder, dass sie tatsächlich nach und nach ihre Etappenziele erreichten. Am Ende des fünften Tages hatte er bereits bei acht und am Ende des achten Tages sogar bei zehn der von Leibniz empfohlenen Gelehrten vorgesprochen. Bis auf zwei traf Orffyreus alle persönlich an. Immer wieder stieß er als unangemeldeter Gast zunächst auf große Skepsis, wenn er in seinen verdreckten Stiefeln um Einlass und Audienz bat. Doch wenn er das Empfehlungsschreiben des von allen geschätzten Leibniz übergab, schlug die anfängliche Zurückhaltung seiner Gastgeber stets in überschwängliche Gastfreundschaft um. Abends schmerzte Orffyreus regelmäßig der mit Gebäck und warmen Speisen gefüllte Wams,
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