Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
nachließ.
Einige Minuten später saßen wir auf meiner Couch, vor uns zwei Gläser mit Gin Tonic, und ich wartete darauf, dass sie mir erzählte, was passiert war.
»Heute Morgen war ich früh wach. Dass Thor mit den Platten gedruckt hatte, ohne es mir zu sagen, konnte ich mir noch vorstellen. Dass er aber auch hinter dem Fehlen der vier Platten steckte, wollte ich nicht glauben.« Sie stockte. »Du musst wissen, Thor ist zwar heute ein renommierter Wissenschaftler, aber es gab eine Zeit in seinem Leben, wo ihm so etwas durchaus zuzutrauen gewesen wäre.« Sie hielt abermals inne.
»Du scheinst ihn ja ziemlich gut zu kennen …«, merkte ich an. Wieder fühlte ich diese unerklärliche Eifersucht in mir.
»Ja, wir waren einmal zusammen. Das ist aber schon lange her. Damals hatte Thor Probleme mit Drogen. Die hat er aber in den Griff bekommen, und ich war mir sicher, dass diese Zeit hinter ihm lag. Nun aber wollte ich wissen, ob er wirklich so dreist war, Platten zu stehlen – außerdem machte ich mir Sorgen um ihn.«
Die Eifersucht in mir wuchs. Sie machte sich nicht Sorgen darüber, dass ich Opfer eines Diebstahls geworden war, sondern sorgte sich um den möglichen Täter.
»Und dann wurmte mich, dass ausgerechnet die Titelseite und die letzte Seite des Buches fehlten«, fuhr Julia fort. »Selbst wenn Orffyreus in dem Buch geheime Botschaften versteckt hatte – wir würden es niemals rausfinden ohne diese Seiten. Bis … ja, bis mir mitten in der Nacht eine Idee kam.« Julia huschte ein triumphierendes Lächeln über das Gesicht.
Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug.
»Ich hatte die Platten mit der Bibliothekspost zu Thor nach Mainz geschickt. Unsere Bibliothek benutzt für wertvolle Kunstgegenstände oder antiquarische Bücher häufig einen Spezialversender. Das sind Logistikunternehmen, die sich auf den Transport von Kunstwerken spezialisiert haben. Ich hatte einmal für so ein Unternehmen ein Schadensgutachten erstellt, und daher wusste ich, dass diese Speditionen von ihren Versicherungen verpflichtet werden, jeden Gegenstand vor dem Versand zu fotografieren – zur Beweissicherung, um eventuelle Schäden beim Transport zu dokumentieren.«
Ich ahnte, worauf sie hinauswollte.
»Wenn dies auch mit deinen Platten geschehen war, bedeutete dies, dass es von jeder einzelnen ein digitales Foto gab. Da du heute Morgen noch fest schliefst, beschloss ich, schnell zur Bibliothek zu fahren und dies mit der Poststelle zu klären.«
»Und?«, fragte ich gespannt.
»Als ich in meiner Werkstatt ankam, bekam ich einen Riesenschrecken: Die Tür war aufgebrochen.«
»Nein!«, rief ich aus.
»Nicht nur das. Alles war durchwühlt und umgeworfen worden. Sogar eine alte Bibel, die ich gerade im Klemmstock hatte, haben die nicht verschont. Einfach rausgerissen.« Ich sah, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Ich hob meine Hand, um ihr tröstend über die Wange zu streichen, nahm davon aber wieder Abstand. Unser Verhältnis kam mir schon vertrauter vor, als es in Wirklichkeit war.
»Das kann doch kein …«, begann ich.
»… Zufall sein«, beendete sie meinen Satz. Energisch schüttelte sie den Kopf. »Irgendetwas ist hier im Gange! Wie sehr, sollte ich später noch erleben. Aber der Reihe nach!«
Ich dachte an mein Erlebnis auf dem Parkplatz vom Schnellrestaurant und griff mir an den Arm.
Julia bemerkte, wie ich vor Schmerzen das Gesicht verzog. »Was ist?«, fragte sie besorgt.
»Erzähl du erst einmal!«, erwiderte ich und biss die Zähne zusammen.
»Wie gesagt, alles war durchwühlt. Ich informierte den Sicherheitsdienst, und der rief die Polizei. Die nahm alles auf, aber es gab keine Hinweise. Die Kameras, die im Gebäude installiert sind, waren ausgeschaltet. Ein paar Jura-Studenten hatten gegen die Video-Überwachung wegen Verstoßes gegen das Datenschutzrecht geklagt und recht bekommen …« Ich hoffte, der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht gegen mich gerichtet. Schließlich hatte ich kein Jura studiert.
»Konntest du dich trotzdem um die Fotosache kümmern?«, fragte ich.
Sie nickte. »Als alle weg waren, fragte ich in der Poststelle nach. Deine Platten waren tatsächlich vor dem Versand fotografiert worden. Allerdings vom Speditionsunternehmen. Ich rief also dort an, und als sie sich ein wenig zierten, behauptete ich einfach, es gäbe einen Schaden, weshalb ich um Übersendung der Fotografien bitten würde.«
»Das hast du wirklich getan?«, fragte ich und jauchzte innerlich. Ich staunte
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