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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Lithium-Batterien ab.
    »Ich drängelte mich durch einen Pulk von Menschen, die gerade zur Nachmittagsvorstellung ins Abaton-Kino wollten, und da ich bin einfach mit hineingegangen«, fuhr sie fort. »Im Kino fühlte ich mich erst einmal sicher, mitten unter den Menschen. Nach der Vorstellung schmuggelte ich mich einfach in die nächste. Als ich schließlich herauskam, war es schon dunkel. Ich stieg in ein Taxi vor dem Kino und fuhr direkt zu dir. Du warst aber nicht da!«
    Das klang fast vorwurfsvoll. Gerade wollte ich protestieren, als mir mein Spaziergang einfiel, den ich am Abend gemacht hatte. »Wir müssen uns knapp verpasst haben«, sagte ich ärgerlich.
    »Ich bin dann in das italienische Restaurant gegenüber«, erzählte sie weiter. »Nach Hause wollte ich nicht, und in meiner Werkstatt hatten sie eingebrochen; also wusste ich nicht recht, wohin ich gehen sollte. Ich habe da drei Stunden rumgesessen und Espresso getrunken, bis geschlossen wurde. Dann bin ich die Straße wieder rübergegangen, und als wenig später deine Nachbarin das Haus verließ, konnte ich in das Treppenhaus schlüpfen. Da saß ich dann, bis du gekommen bist. Immer wenn unten die Tür aufging, hatte ich Angst, dass die Typen kommen würden.« Julia atmete tief durch. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und klemmte sie hinter ihr Ohr.
    Ich überlegte, ob ich ihr meine Erlebnisse verheimlichen sollte, um sie nicht weiter zu beunruhigen, entschied dann aber, dass es keinen Sinn machte, vor ihr etwas zu verheimlichen. Als ich mit meiner Schilderung fertig war, begutachtete sie besorgt meinen Ellbogen, der mittlerweile blau angelaufen war.
    »Und die wollten dich echt überfahren?«, rief sie schließlich bestürzt.
    »Wer sind überhaupt ›die‹?«, antwortete ich und bemühte mich, Ruhe auszustrahlen.
    »Ich habe Angst«, gestand Julia.
    Sie ließ sich zur Seite fallen und vergrub ihren Kopf an meiner Brust. Ich umarmte sie und drückte sie sanft an mich. Eine Zeit lang verharrten wir so. Dann fiel mein Blick wieder auf den USB-Stick, der vor mir auf dem Tisch lag.
    »Komm, wir schauen uns die fehlenden Buchseiten an«, schlug ich vor.
    Auf meinem Laptop fanden wir eine Funktion, die das digitale Bild spiegeln konnte. Damit war die Spiegelschrift einigermaßen lesbar. Gemeinsam versuchten wir, die Buchstaben zu entziffern. Während Julia sie vorlas, schrieb ich sie mit und speicherte alles in einem Word-Dokument. Es war eine unheimliche Fleißarbeit. Auf der ersten Seite stand:
    An die, welche mir folgen
    Auf der letzten Seite fand sich ein Vers, bei dem einige der darin enthaltenen Buchstaben groß gestellt waren. Dieser lautete:
    Vnd ist die Kraft des Herakles doch Vnbändig/
    FIndet das GeheImnis sich Inwändig/
    Dann sInd die UngläVbigen endlich nIcht mehr VnVerständig
    Etwas abgesetzt befand sich in der Fußzeile ein weiterer Satz mit einzelnen Buchstaben in Großschrift:
    Vom InVentore Orffyre
    »Wieder diese Majuskel«, stellte Julia nachdenklich fest.
    Ich schrieb sie nebeneinander auf. »VVIIIIVIVV und etwas weiter darunter VIV«, las ich laut vor.
    »In arabischen Zahlen ergibt das 5, 5, 1, 1, 1, 1, 5, 1, 5, 5 und 5, 1, 5.« Julia rechnete. »Das macht 30 und 11.«
    »30 und 11? Haben diese Zahlen irgendeine mythische oder christliche Bedeutung?«, fragte ich.
    »Nicht dass ich wüsste«, antwortete Julia.
    »Bleiben wir bei den addierten Summen. Dann hätten wir in diesem Buch die 30 und die 11, und in dem anderen Band ergab die Summe 1717.«
    »Vielleicht ein Datum?«, mutmaßte Julia. »Der 30. 11. 1717.«
    »Mag sein«, erklärte ich. »Sagt mir aber nichts.«
    Julia schüttelte den Kopf »Mir auch nicht!«
    Die Gläser mit Gin Tonic vor uns waren leer, und ich spürte, wie der Alkohol mich müde machte. Auch Julia schien Mühe zu haben, ihre Augen aufzuhalten.
    »Ich Couch, du Bett?«, fragte ich.
    Sie lächelte. »Ich war schon seit zwei Tagen nicht mehr zu Hause«, sagte sie mit einem Seufzen. »Im Moment hätte ich aber auch keine Lust, allein zu sein.«
    Ich nahm das als Zustimmung und stand auf, um mir eine Decke aus dem Schlafzimmer zu holen. Mein Rücken schmerzte noch von der letzten Nacht auf dem harten Sofa, und mein Blick fiel wehmütig auf mein Bett. Ich ahnte nicht, dass ich nie wieder eine Nacht darin verbringen sollte.

28
    Merseburg, 1715
    Das Leipziger Zeitungs-Extract der 42. Woche hatte ausführlich von der bevorstehenden »Probe« im Grünen Hof berichtet: Ein zugezogener Inventore ,

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