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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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übrigens gar kein Patentanwalt«, sprudelte es unvermittelt aus mir heraus. »Nicht mehr, jedenfalls.« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie sich zu mir drehte. »Ich habe die Zulassung verloren«, ergänzte ich.
    »Warum?«, fragte Julia.
    »Mandantenverrat«, antwortete ich. Als Julia mich verblüfft ansah, fuhr ich fort: »Dafür bin ich zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden.«
    »Wow!«, entfuhr es Julia. Ich wusste nicht, ob es ein Ausdruck der Anerkennung oder des Erstaunens sein sollte. »Dann bin ich also mit einem echten Straftäter auf der Flucht?«, fügte sie hinzu und lächelte.
    Ihre Reaktion erleichterte mich. »Was machen wir als Nächstes?«, fragte ich. »Wollen wir eine Bank überfallen?«
    Wir lachten beide.
    Dann wurde ich wieder ernster. »In der letzten Zeit habe ich oft über diesen Orffyreus nachgedacht. So wie ich es sehe, gibt es bei ihm zwei Möglichkeiten: Entweder ist er ein Scharlatan gewesen, der eine Erfindung vorgetäuscht und nichts als Unsinn darüber geschrieben hat. Oder er ist das verkannteste Genie der vergangenen Jahrhunderte und hat tatsächlich ein Perpetuum mobile erfunden.«
    Julia nickte zustimmend.
    »Im letzteren Fall hätten wir mit den Druckplatten im Kofferraum vielleicht den Schlüssel zu einer Erfindung, die Milliarden wert ist«, fuhr ich fort.
    »Das wäre der rein materielle Wert«, betonte Julia. »Der Wert von unbegrenzter Energie für die Menschheit ist sehr viel bedeutender.« Da sie sich seit vielen Jahren hauptsächlich mit Büchern beschäftigte, hatte sie gelernt, den materiellen Wert von Dingen als zweitrangig zu bewerten.
    »Als Physiker muss ich dir jedoch sagen, dass die Wahrscheinlichkeit dafür bei eins zu einer Milliarde oder noch schlechter liegt. Sehr viel realistischer ist, dass wir einen Haufen Metallschrott durch die Gegend fahren.«
    Eine Weile schwiegen wir.
    »Also, die Typen, die uns verfolgen, haben wir abgehängt«, erklärte Julia schließlich. »Und wenn ich die Chance hätte, mit einem Cent Einsatz etliche Milliarden Euro zu gewinnen oder den Weltfrieden zu retten oder so was Ähnliches – ich würde den Cent setzen, selbst wenn die Erfolgsaussichten minimal wären. Du nicht auch?«
    »Wenn es wirklich nur ein Cent ist, den ich einzusetzen hätte – natürlich«, antwortete ich.
    »Also, dann lass uns mal diesem Orffyreus auf den Zahn fühlen!«, rief Julia mit übertriebenem Enthusiasmus.
    Ich musste lächeln. »Und ich weiß auch schon, wo wir damit anfangen können.«

33
    London, 1715
    Der alte Mann war erzürnt.
    Es war früher Morgen, und er saß im Nachthemd auf seinem Toilettenstuhl, um sein morgendliches Geschäft zu verrichten. Sein Hausdiener Kyle hatte ihn kurz zuvor geweckt und berichtet, dass Willem Jacob Gravesande darum bat, vorgelassen zu werden.
    Während Newton mit seiner Verdauung rang und seinen Darmwinden ungeniert erlaubte, den Körper zu verlassen, hatte sein Gast auf einem Stuhl vor ihm Platz genommen. Er war hager und schaute Newton aus eingefallenen Wangen an. Dessen Gesicht verfinsterte sich, während Gravesande von Orffyreus’ jüngstem Erfolg in Merseburg berichtete.
    »Nun ist er also im Besitz eines Testats, mit dem ihm die führenden Köpfe Sachsens bescheinigt haben, dass seine Maschine ein Perpetuum mobile ist«, fasste Gravesande zusammen.
    »Wieso habt Ihr das nicht verhindert!«, rief Newton und fluchte. Seine Adern auf der Stirn traten ob seiner recht anstrengenden Verrichtung hervor.
    »Ich habe Gärtner sogar persönlich in Dresden aufgesucht und ihm die Dringlichkeit der Angelegenheit noch einmal verdeutlicht. Auch war Gärtner in Merseburg und hat Orffyreus bei einem morgendlichen Überfall gehörig in Angst versetzt. Aber der Sachse ist, wie soll ich sagen, zäh.«
    »Zäher als Ihr?«, spottete Newton.
    »Natürlich nicht, Sir«, erwiderte Gravesande. »Bislang haben wir es nur mit vergleichsweise harmlosen Methoden versucht. Wir werden unsere Anstrengungen, ihn aufzuhalten, jetzt verstärken.«
    Newton schrie auf. »Dieser elende Blasenstein!«, rief er. Dann breitete sich so etwas wie Erleichterung auf seinem Gesicht aus, und er widmete sich wieder seinem Besuch. »Mein lieber Gravesande, wir kennen uns seit vielen Jahren. Auf meine Empfehlung hin wurdet Ihr in die Royal Society aufgenommen. Ich war es, der Euch Macht und Einfluss verschaffte. Ist es zu viel verlangt, wenn ich Euch bitte, mir dies nun zu vergelten? Und zwar nicht in Münzen, sondern indem Ihr mir

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