Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
musste hart daran arbeiten, um aufzuholen. Es wäre eine Schande gewesen, wegen etwas so Trivialem wie dem Tragen von roten Dingen innerhalb der Burg eine Buße auferlegt zu bekommen. Roter Schmuck war erlaubt, Feuertropfen oder Rubine, aber Kleidung in dieser Farbe war verboten, eine Auswirkung der seit Langem bestehenden Animositäten zwischen den Roten und Blauen, die so lange bestanden, dass eigentlich keiner mehr genau wusste, was der Auslöser dafür gewesen war. Blaue und Rote vertraten grundsätzlich die gegenteilige Meinung, was manchmal den Saal völlig lähmte.
Allein die Vorstellung, dass zwischen Ajahs so etwas wie Feindschaft bestand, überraschte Moiraine, aber es gab noch andere Gegensätzlichkeiten. Die Grünen und die Blauen hatten seit mehreren Jahrhunderten nur wenige Störungen in ihrer Einigkeit erlebt, aber was die anderen Ajahs anging, verhielt sich das doch sehr unterschiedlich. Im Augenblick war das Verhältnis zu den Weißen leicht gespannt, aus Gründen, die nur die Weißen kannten, während es mit den Gelben größere Spannungen gab; Schwestern einer jeden Ajah beschuldigten die jeweils andere, sich vor einigen Hundert Jahren in ihre Aktionen in Altara eingemischt zu haben. Althergebrachte Regeln verboten es, sich in die Angelegenheiten anderer Schwestern einzumischen, eine Regel, die die einzige Ausnahme zu der sonst geforderten Ehrerbietung darstellte. Jedenfalls zumindest außerhalb der Burg. Und dann gab es die Umschwünge. Zum Beispiel unterstützten die Braunen die Weißen gegen die Blauen, unterstützten aber die Blauen gegen die Gelben. Zumindest für den Augenblick. Diese Dinge konnten Jahrhunderte Bestand haben oder sich einen Augenblick später verändern. Außerdem musste man lernen, welche Feindseligkeiten und Rivalitäten zwischen den anderen Ajahs bestanden, sofern sie bekannt waren. Alles war eine Falle, die nur auf einen unbedachten Schritt oder ein unüberlegtes Wort wartete. Beim Licht, dieses Durcheinander ließ das Daes Dae’mar wie ein Kinderspiel aussehen!
Jeden Abend hörte Siuan sie ab, genau wie sie es als Novizinnen und Aufgenommene getan hatten, und sie hörte Siuan ab, obwohl das eigentlich nicht nötig erschien. Siuan machte nie Fehler.
Sie studierten die Macht erneut, wobei sich Lelaine und Natasia und Anaiya und andere abwechselten, lernten den Behüterbund und andere Gewebe, die man Aufgenommenen nicht anvertraute, einschließlich einiger, die allein den Blauen bekannt waren. Moiraine fand das sehr interessant. Wenn die Blauen Gewebe zu den Geheimnissen ihrer Ajah zählten, dann galt das auch für andere Ajahs und vielleicht auch für einzelne Schwestern. Schließlich hatte sie auch eines, das erste Gewebe, welches sie gelernt hatte, bevor sie nach Tar Valon gekommen war, und sorgfältig vor den Schwestern verborgen hatte. Sie hatten den Funken erkannt, der sich bereits in ihr entzündet hatte, aber sie hatte ihnen nur vom Kerzenentzünden und der Lichtkugel erzählt, die ihr in der Dunkelheit den Weg erhellte. Niemand lebte im Sonnenpalast, ohne zu lernen, wie man Geheimnisse hütete. Kannte Siuan auch geheime Gewebe? Es war nicht die Art Frage, die man seiner besten Freundin stellte.
Sie wussten genug über Saidar , um schnell zu lernen, aber es war einfach zu viel für einen Tag oder eine Woche. Zumindest Moiraine schaffte es nicht. Die Methode, Hitze oder Kälte zu ignorieren, erwies sich als bloßer Trick geistiger Konzentration, ganz einfach, wenn man wusste, wie; zumindest behauptete Natasia das.
»Das Bewusstsein muss die ganze Zeit so ruhig wie ein stiller Teich sein«, sagte sie pedantisch, genau wie sie im Klassenzimmer lehrte. Sie befanden sich in ihren Gemächern, in denen so gut wie jede Oberfläche mit Figürchen und kleinen Schnitzereien und bemalten Miniaturen vollgestellt war. Die Lektionen fanden immer in den Räumen der Lehrerin statt. »Konzentriert Euch auf einen Punkt hinter Eurem Nabel, in der Mitte Eures Körpers, fangt an in einem unveränderlichen Rhythmus zu atmen, aber nicht wie sonst auch. Jedes Einatmen muss genau die gleiche Zeitspanne aufweisen, und dazwischen atmet Ihr die gleiche Zeitspanne nicht. Nach einiger Zeit wird das ganz automatisch gehen. Bei einer solchen Atmung und Konzentration wird sich Euer Bewusstsein bald von der Außenwelt lösen und weder Hitze noch Kälte wahrnehmen. Ihr könntet nackt durch einen Schneesturm oder eine Wüste gehen, ohne zu frieren oder zu schwitzen.« Natasia nahm einen Schluck
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