Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
dass er mit den Händen über den langen Schwertgriff strich und sein Gesicht angespannt war. Umhergehen? Nein. Er hatte die Haltung eingenommen, die als »Leopard im hohen Gras« bezeichnet und benutzt wurde, wenn man auf allen Seiten von Feinden umgeben war. Er musste sich beruhigen.
Er setzte sich im Schneidersitz auf einen Strohballen, versenkte sich ins Ko’di und schwebte in ruhiger Leere, eins mit dem Strohballen, dem Stall, dem in der Scheide steckenden Schwert hinter ihm. Er konnte spüren, wie die Pferde aus ihren Krippen fraßen und Fliegen in den Ecken summten. Sie alle waren Teil von ihm. Besonders das Schwert. Aber diesmal suchte er nur die gefühllose Leere.
Aus seiner Gürteltasche holte er einen schweren goldenen Siegelring, der einen fliegenden Kranich zeigte, und drehte ihn unablässig zwischen den Fingern. Der Ring der Könige von Malkier, der von Männern getragen wurde, die den Schatten neunhundert Jahre und länger zurückgehalten hatten. Unzählige Male war er erneuert worden, wenn die Zeit ihn abgenutzt hatte, und stets wurde der alte Ring eingeschmolzen und zum Teil des neuen. Es mochten noch Reste des Rings darin sein, den die Herrscher von Rhamadaschar getragen hatten, das vor Malkier existiert hatte, und von Aramaelle, das noch vor Rhamadaschar gekommen war. Dieses Stück Metall war Sinnbild eines dreitausendjährigen Kampfes gegen die Große Fäule. Es gehörte ihm schon fast sein ganzes Leben lang, aber er hatte es nie getragen. Für gewöhnlich kostete es ihn Überwindung, den Ring auch nur anzusehen. Lan zwang sich jeden Tag dazu. Ohne die Leere hätte er es heute vermutlich nicht geschafft. Im Ko’di schwebten die Gedanken frei, und Gefühle lagen jenseits des Horizonts.
Man hatte ihm vier Geschenke in die Wiege gelegt. Den Ring in seinen Händen und das Medaillon um seinen Hals, das Schwert an seiner Hüfte und einen in seinem Namen geschworenen Eid. Das Medaillon mit dem Bild seiner Mutter und seines Vaters, an die er keine Erinnerung hatte, war das wertvollste, doch der Eid wog am schwersten. »Gegen den Schatten anzutreten, solange Eisen hart ist und Stein besteht. Die Malkieri zu verteidigen, solange noch ein Tropfen Blut in den Adern fließt. Zu rächen, was nicht verteidigt werden kann.« Und dann war er mit Öl gesalbt und Dai Shan getauft worden, zum nächsten König von Malkier geweiht und aus einem Land weggeschickt worden, das wusste, dass es sterben würde.
Nun gab es nichts mehr zu verteidigen, nur eine Nation zu rächen, und dafür war er vom ersten Schritt an ausgebildet worden. Mit dem Geschenk seiner Mutter um den Hals, dem Schwert seines Vaters in der Hand und dem Ring auf dem Herzen hatte er von seinem sechzehnten Namenstag an dafür gekämpft, Malkier zu rächen. Aber niemals hatte er Männer in die Große Fäule geführt. Bukama war mit ihm geritten, und andere, aber er würde keine Männer dorthin führen. Das war allein sein Krieg. Die Toten konnten nicht zum Leben erweckt werden, ein Land so wenig wie ein Mensch. Aber jetzt wollte Edeyn Arrel es versuchen.
Ihr Name hallte in der Leere in seinem Inneren wider. Hundert Emotionen türmten sich wie ein Gebirge auf, aber er führte sie der Flamme zu, bis alles wieder ruhig war. Bis sein Herz im Einklang mit dem langsamen Hufschlag der angebundenen Pferde schlug und die Schwingen der Fliegen einen raschen Kontrapunkt zu seinem Atem schlugen. Sie war seine Carneira , seine erste Geliebte. Tausendjährige Tradition rief ihm das trotz der Stille zu, die ihn umgab.
Er war fünfzehn gewesen, Edeyn mehr als doppelt so alt, als sie das Haar, das ihm immer noch bis zu den Hüften gereicht hatte, in die Hände nahm und ihm ihre Absicht zuflüsterte. Damals hatten ihn Frauen noch als schön bezeichnet und sein Erröten genossen, und sie hatte ein halbes Jahr Gefallen daran gehabt, mit ihm am Arm spazieren zu gehen und ihn mit in ihr Bett zu nehmen. Bis Bukama und die anderen ihm den Hadori gegeben hatten. Das Geschenk des Schwertes an seinem zehnten Namenstag hatte ihn nach den Bräuchen entlang der Grenze zum Mann gemacht, wenn auch Jahre vor seiner Zeit, aber unter den Malkieri war das geflochtene Lederband wichtiger gewesen. Als er sich das um den Kopf gebunden hatte, entschied er allein, wohin er gehen wollte, wann und warum. Und das dunkle Lied der Großen Fäule war zu einem Heulen geworden, das jedes andere Geräusch übertönte. Der Eid, der so lange in seinem Herzen gemurmelt hatte, wurde zu einem Tanz, dem
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