Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Nacht haben ihm Straßenräuber zwei Gassen von hier entfernt die Kehle durchgeschnitten. Bei diesem Zug springt kein Geld für den Rückweg für mich heraus.« Er ließ ein reumütiges Grinsen aufblitzen und trank einen kräftigen Schluck Wein, vielleicht zum Andenken an den Kaufmann, vielleicht auf den Verlust seines halben Lohns. »Soll man mich zu Asche verbrennen, falls ich erwartet hätte, dich hier zu finden!«
»Du solltest nicht auf Gerüchte hören, Ryne. Ich habe keine nennenswerte Verletzung erlitten, seit ich nach Süden geritten bin.« Sollten sie ein Zimmer bekommen, würde er Bukama damit aufziehen, ob es bereits bezahlt worden sei. Die Entrüstung riss ihn vielleicht aus seiner düsteren Stimmung.
»Die Aiel«, schnaubte Ryne. »Ich hätte nie gedacht, dass sie dir ebenbürtig sein könnten.« Natürlich hatte er nie Aiel gegenübergestanden. »Ich habe angenommen, dass du da bist, wo Edeyn Arrel sich aufhält. Jetzt ist sie in Chachin, soviel ich gehört habe.«
Als er den Namen hörte, drehte Lan den Kopf ruckartig wieder seinem Gegenüber zu. »Warum sollte ich bei Lady Arrel sein?«, fragte er leise, aber mit Betonung auf dem Titel, der ihr gebührte.
»Sachte, Mann«, sagte Ryne. »Ich wollte nicht …« Klugerweise brach er den Satz an dieser Stelle ab. »Da soll man mich doch zu Asche verbrennen, willst du damit sagen, du hast es nicht gehört? Sie hat den Goldenen Kranich aufgezogen. Natürlich in deinem Namen. Seit der Jahreswende ist sie von Fal Moran nach Maradon gezogen, und jetzt ist sie auf dem Rückweg.« Ryne schüttelte den Kopf, sodass die Glöckchen in seinen Zöpfen leise klingelten. »Es müssen allein hier in Canluum zwei- bis dreihundert Männer sein, die bereit sind, ihr zu folgen. Dir, meine ich. Bei manchen würdest du es nicht glauben. Der alte Kurenin hat geweint, als er sie sprechen hörte. Alle sind bereit, Malkier wieder aus der Großen Fäule zu schneiden.«
»Was in der Großen Fäule stirbt, ist dahin«, sagte Lan resigniert. Er fühlte mehr als eine große Kälte im Inneren. Plötzlich hatte Serokus Überraschung darüber, dass er nach Norden reiten wollte, eine ganz neue Bedeutung, ebenso die Zusage des jungen Wachsoldaten, dass er bereit wäre. Selbst die Blicke hier im Gemeinschaftsraum wirkten verändert. Und Edeyn hatte damit zu tun. Es gefiel ihr immer, im Herzen des Sturms zu stehen. »Ich muss mich um mein Pferd kümmern«, sagte er zu Ryne und schob die Bank zurück.
Ryne sagte etwas davon, dass sie heute Abend einen Zug durch die Tavernen machen sollten, aber Lan hörte es kaum. Er lief rasch durch die Küche, in der Öfen aus Gusseisen und aus Stein und offene Kaminfeuer für Hitze sorgten, hinaus in die Kühle des Stallhofs mit dem Geruch von Pferden, Heu und Holzrauch. Eine Graulerche trällerte am Rand des Stalldachs. Graulerchen kamen im Frühling noch vor den Rotkehlchen zurück. Graulerchen hatten in Fal Moran gesungen, als Edeyn ihm zum ersten Mal ins Ohr geflüstert hatte.
Die Pferde standen bereits in den Ställen, Zaumzeug und Sättel und Packsattel hingen auf Satteldecken an der Stalltür, aber die Weidenkörbe waren fort. Offenbar hatte Frau Arovni die Stallburschen wissen lassen, dass er und Bukama Zimmer erhalten hatten.
Es hielt sich nur eine einzige Stallfrau in dem Stall auf, eine hagere Frau mit verkniffenem Gesicht, die ausmistete. Während sie weiterarbeitete, sah sie stumm zu, wie er nach Katzentänzer und den anderen Pferden schaute, sah zu, wie er die gesamte Länge des strohbedeckten Bodens auf und ab ging. Er versuchte nachzudenken, aber Edeyns Name kam ihm immer wieder in den Sinn. Edeyns Gesicht, von seidigem schwarzem Haar umrahmt, das ihr bis unter die Taille reichte, ein wunderschönes Gesicht mit großen, dunklen Augen, die die Seele eines Mannes selbst dann trinken konnten, wenn sie befehlsgewohnt blickten.
Nach einer Weile murmelte die Stallfrau etwas in seine Richtung, berührte Lippen und Stirn, schob hastig ihre halb gefüllte Schubkarre aus dem Stall und warf ihm über die Schulter einen Blick zu. Sie blieb stehen, um die Tür zuzumachen, ebenfalls hastig, und schloss ihn in einem Halbdunkel ein, das lediglich durch ein wenig Licht von offenen Heutüren auf dem Schober etwas erhellt wurde. Staubkörnchen tanzten in den blassgoldenen Lichtstrahlen.
Lan verzog das Gesicht. Hatte sie solche Angst vor einem Mann, der den Hadori trug? Fasste sie sein Umhergehen als Bedrohung auf? Plötzlich wurde ihm bewusst,
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