Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
erkennen, aber er fühlte, dass er dem Reiter
geradewegs in die Augen sah. Und er konnte den Blick nicht abwenden. Übelkeit
stieg in ihm auf. Er sah nur den Schatten in der Kapuze, doch er fühlte den
Hass genauso beißend, als ob er in ein verzerrtes Gesicht blickte, Hass auf
alles, was lebte. Und ihm vor allem galt dieser Hass, ihm mehr als allem
anderen auf der Welt.
    Plötzlich blieb er mit der Ferse an einem
Stein hängen und stolperte, sodass er den dunklen Reiter aus dem Blickfeld
verlor. Sein Bogen fiel auf die Straße, und nur eine schnell ausgestreckte
Hand, die Belas Geschirr packte, bewahrte ihn davor, auf den Rücken zu fallen.
Mit überraschtem Schnauben blieb die Stute stehen und drehte den Kopf. Tam zog
die Augenbrauen hoch und sah über Belas Rücken zu ihm herüber. »Bist du in
Ordnung, Junge?«
    Â»Ein Reiter«, sagte Rand atemlos, während
er sich aufrichtete. »Ein Fremder folgt uns.«
    Â»Wo?« Der ältere Mann hob seinen Speer
mit der breiten Blattspitze und spähte aufmerksam zurück. »Dort, die Straße hin …« Rands Worte verloren sich, als er sich umdrehte, um auf den Verfolger zu
deuten. Die Straße hinter ihnen war verlassen. Ungläubig schweifte sein Blick
über den Wald zu beiden Seiten der Straße. Die Bäume mit ihren kahlen Ästen
boten kein Versteck, und doch konnte er keine Spur von Pferd oder Reiter
erkennen. Er bemerkte den fragenden Blick seines Vaters. »Er war dort. Ein Mann
mit einem schwarzen Mantel auf einem schwarzen Pferd.«
    Â»Ich zweifle nicht an deinen Worten,
Junge, aber wo ist er jetzt?«
    Â»Ich weiß nicht. Aber er war da.« Er hob
rasch Bogen und Pfeil auf und überprüfte hastig die Bespannung, bevor er den
Pfeil wieder einlegte und den Bogen zur Probe halb spannte. Dann ließ er die
Sehne zurückschnellen. Es gab kein Ziel, worauf er hätte anlegen können.
»Wirklich.«
    Tam schüttelte den ergrauten Kopf. »Wenn
du es sagst, Junge … Dann komm mit. Ein Pferd hinterlässt sogar auf diesem
Boden Hufspuren.« Er bewegte sich auf das hintere Ende des Karrens zu. Sein
Umhang flatterte im Wind. »Wenn wir Hufspuren finden, dann wissen wir genau,
dass er hier war. Wenn nicht … Na ja, es gibt Tage, an denen ein Mann seine
Einbildungen hat.«
    Plötzlich fiel Rand ein, was an dem
Reiter nicht gestimmt hatte, abgesehen von der Tatsache, dass er sich überhaupt
hier befunden hatte. Der Wind, der Tam und ihn beutelte, hatte nicht einmal
eine Falte des schwarzen Mantels bewegt. Rands Mund war plötzlich wie
ausgetrocknet. Er musste sich das eingebildet haben. Sein Vater hatte Recht;
dieser Morgen war dazu angetan, die Phantasie eines Mannes zu kitzeln. Und
dennoch glaubte er das nicht. Nur, wie sollte er seinem Vater beibringen, dass
der Mann, der sich offensichtlich in Luft aufgelöst hatte, einen Mantel trug,
den der Wind nicht berührte?
    Mit sorgenvoller Miene spähte er in den
Wald, der sie umgab. Er erschien ihm anders als je zuvor. Seit er laufen
konnte, hatte er im Wald gespielt. Da waren die Teiche im Flusswald, jenseits
der letzten Bauernhöfe von Emondsfelde, in denen er schwimmen gelernt hatte. Er
hatte die Sandhügel erforscht – manche im Gebiet der Zwei Flüsse meinten, das
bringe nur Unglück –, und einmal war er sogar bis zum Fuß der Verschleierten
Berge marschiert, zusammen mit seinen besten Freunden, Mat Cauthon und Perrin
Aybara. Das war viel weiter, als die meisten Leute aus Emondsfelde jemals
kamen. Für sie war eine Reise ins nächste Dorf, nach Wachhügel hinauf oder
hinunter nach Devenritt, schon ein großes Ereignis. Nirgendwo war er auf einen
Ort gestoßen, der ihm Angst einjagte. Heute jedoch war der Westwald nicht der
gleiche Ort wie jener, an den er sich erinnerte. Ein Mann, der so plötzlich
verschwinden konnte, mochte ebenso plötzlich wieder auftauchen, vielleicht
sogar direkt neben ihm.
    Â»Nein, Vater, es ist nicht nötig.« Als
Tam überrascht stehen blieb, verbarg Rand sein Erröten, indem er sich die
Kapuze tiefer ins Gesicht zog. »Du hast wahrscheinlich Recht. Es hat keinen
Zweck, nach etwas zu suchen, das gar nicht da ist, erst recht nicht, wenn wir
bald ins Dorf gelangen wollen.«
    Â»Ich würde schon gern eine Pfeife
rauchen«, sagte Tam langsam, »und irgendwo, wo es warm ist, einen Krug Bier
leeren.« Übergangslos grinste er breit.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher