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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original
Autoren: Robert Jordan
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»Und ich schätze, du willst Egwene
wiedersehen.«
    Rand brachte nur ein schwaches Lächeln
zustande. Im Augenblick stand die Tochter des Bürgermeisters so ziemlich am
Ende seiner Dringlichkeitsliste. Er konnte nicht noch mehr Verwirrung
gebrauchen. Das letzte Jahr über hatte sie ihn in steigendem Maße nervös
gemacht, immer wenn sie zusammen waren. Was noch schlimmer war: Sie schien es nicht
einmal zu bemerken. Nein, er wollte ganz bestimmt nicht auch noch an Egwene
denken müssen.
    Er hoffte, sein Vater hätte nicht
bemerkt, dass er Angst hatte, als Tam sagte: »Denk an die Flamme, Junge, und an
das Nichts.«
    Es war eine eigenartige Übung, die Tam
ihn gelehrt hatte. Konzentriere dich auf eine einzelne Flamme und leere all
deine Leidenschaften dort hinein – Angst, Hass, Wut –, bis dein Verstand leer
ist. Werde eins mit dem Nichts, riet Tam, und du kannst alles erreichen.
Niemand sonst in Emondsfelde sagte so etwas. Aber Tam gewann jedes Jahr den
Bogenschützenwettbewerb zum Bel Tine mit seiner Flamme und seinem Nichts. Rand
glaubte, dieses Jahr habe auch er Aussicht auf eine gute Platzierung, wenn er
es fertig brachte, sich auf das Nichts zu konzentrieren. Dass Tam das Gespräch
ausgerechnet jetzt darauf brachte, bedeutete, dass er es bemerkt hatte , doch er sagte nicht
mehr dazu.
    Tam schnalzte Bela zu, und sie setzten
ihre Reise wieder fort; der ältere Mann schritt einher, als sei nichts Ungewöhnliches
geschehen und als drohe ihnen nichts Schlimmes. Rand hätte es ihm gern
gleichgetan. Er bemühte sich, seinen Verstand zu leeren, aber das Nichts
entschlüpfte ihm immer wieder, und stattdessen erschien ihm das Bild des
schwarz gekleideten Reiters.
    Er wollte so gern glauben, Tam habe
Recht, er habe sich den Reiter nur eingebildet, doch er erinnerte sich gerade
an das Gefühl des Hasses besonders klar. Da war jemand gewesen. Und dieser
Jemand war ihm übel gesinnt. Er blieb nicht stehen, um sich umzusehen, bis die
strohgedeckten Häuser von Emondsfelde mit ihren spitzen Giebeln sie umgaben.
    Das Dorf lag nahe am Westwald. Der Wald
wurde immer lichter, und die letzten Bäume standen bereits zwischen den soliden
Holzhäusern. Der Boden fiel sanft nach Osten ab. Auch dort gab es kleine
Wälder. Bauernhöfe, von Hecken umsäumte Felder und Weideflächen bedeckten das
Land jenseits des Dorfes bis hin zum Wasserwald und seinem Gewirr von Bächen
und Teichen. Nach Westen zu war das Land genauso fruchtbar, und in den meisten
Jahren waren die Weiden üppig. Doch im Westwald fand man nur eine Hand voll
Bauernhöfe, und auch diese verschwanden schließlich bereits Meilen vor den
Sandhügeln und noch weiter vor den Verschleierten Bergen, die sich über den
Baumwipfeln des Westwalds erhoben, fern, doch von Emondsfelde aus deutlich
sichtbar. Manche sagten, das Land sei zu steinig – als ob es nicht überall in
den Zwei Flüssen Steine gegeben hätte –, und andere behaupteten, das Land
bringe Unglück. Ein paar murmelten, es habe keinen Sinn, näher als nötig zu den
Bergen hin zu ziehen. Aus welchen Gründen auch immer – jedenfalls unterhielten
nur die abgehärtetsten Männer im Westwald Bauernhöfe.
    Kleine Kinder und Hunde hüpften in
jubelnden Horden um den Karren herum, sobald er die erste Häuserzeile hinter
sich gebracht hatte. Bela trottete geduldig weiter und achtete nicht auf die
schreienden Kinder, die vor ihrer Nase herumtollten, Fangen spielten und Reifen
vor sich her trieben. In den letzten Monaten hatten die Kinder wenig gespielt oder
gelacht. Selbst als das Wetter milder geworden war und die Kinder draußen
spielen konnten, hatte die Angst vor Wölfen sie im Haus festgehalten. Es
schien, mit dem Näherkommen von Bel Tine hatten sie auch wieder das Spielen
gelernt.
    Das Fest ließ auch die Erwachsenen nicht
unberührt. Die breiten Fensterläden waren geöffnet, und in fast jedem Haus
stand die Hausfrau an einem Fenster, die Schürze umgebunden und die zu langen
Zöpfen geflochtenen Haare hochgesteckt und in ein Tuch eingebunden, schüttelte Bettlaken
aus oder hängte Federbetten über die Fenstersimse. Ob nun junges Grün auf den
Bäumen spross oder nicht, keine Frau würde Bel Tine erleben, ohne vorher ihren
Frühjahrsputz erledigt zu haben. In jedem Hof hingen Läufer an gespannten
Leinen, und Kinder, die nicht schnell genug gewesen und zum Spielen
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