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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original
Autoren: Robert Jordan
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härter
zugeschlagen haben, wenn man die Anzahl der Wölfe in Betracht zog, die es
hinunter ins Gebiet der Zwei Flüsse getrieben hatte. Die Wölfe raubten Schafe
von den Koppeln und wühlten sich ihren Weg in Scheunen und Ställe, um an das
Vieh und die Pferde heranzukommen. Auch Bären waren hinter den Schafen her, in
dieser Gegend, wo man jahrelang keine Bären mehr gesichtet hatte. Man war nach
Einbruch der Dunkelheit draußen nicht mehr sicher. Menschen waren genauso
häufig die Beute wie Schafe, und oft war die Sonne noch nicht einmal
untergegangen.
    Tam schritt gleichmäßig auf der anderen
Seite Belas dahin, benutzte seinen Speer als Wanderstock und achtete nicht auf
den Wind, obwohl sein brauner Umhang hinter ihm herflatterte. Von Zeit zu Zeit
berührte er ganz leicht die Flanke der Stute, um sie zum Weitergehen
aufzufordern. Mit seinem kräftigen Oberkörper und dem breiten Gesicht wirkte er
an diesem Morgen wie ein Stützpfeiler der Wirklichkeit, wie ein Stein inmitten
eines fließenden Traums. Es hatten sich zwar Falten in die sonnenverbrannten
Wangen eingegraben, und in seinem Haar war nur noch strähnenweise Schwarz unter
dem Grau zu erkennen, doch er wirkte so kraftvoll, als könne eine Flutwelle
über ihn hinwegrauschen, ohne ihm die Füße wegzureißen. Teilnahmslos stapfte er
die Straße entlang. Sein Ausdruck machte klar: Wölfe und Bären hin oder her,
ein Schäfer musste natürlich aufpassen, aber es war gesünder für sie, wenn sie
nicht versuchten, Tam al’Thor auf seinem Weg nach Emondsfelde aufzuhalten.
    Ein wenig schuldbewusst angesichts seiner
Unaufmerksamkeit wandte sich Rand wieder der Straßenseite zu, die er im Blick
behalten musste. Tams Wachsamkeit hatte ihn daran erinnert. Er war einen Kopf
größer als sein Vater, größer auch als jeder andere in der Gegend, und wenig an
ihm erinnerte an Tam – höchstens vielleicht die breiten Schultern. Graue Augen
und ein rötlicher Farbton im Haar stammten von der Mutter, das behauptete jedenfalls
Tam. Sie war Ausländerin gewesen, und Rand konnte sich nur noch schwach an sie
erinnern, abgesehen von ihrem lächelnden Gesicht. Er legte jedes Jahr Blumen
auf ihr Grab: an Bel Tine im Frühling und am Sonnentag im Sommer.
    Zwei kleine Fässer von Tams Apfelschnaps
lagen im dahinholpernden Karren, dazu acht größere Fässer mit Apfelmost, gerade
einen Winter alt. Tam lieferte die Fässer jedes Jahr an die
Weinquellen-Schenke, um sie zu Bel Tine auszuschenken, und er hatte erklärt, es
brauche schon mehr als nur Wölfe oder kalten Wind, um ihn in diesem Frühjahr
davon abzuhalten. Sie waren schon seit Wochen nicht mehr im Dorf gewesen.
Selbst Tam zog in diesen Zeiten nicht mehr viel durch die Gegend. Aber er hatte
dem Wirt sein Wort gegeben, und das hielt er, selbst wenn er erst am
allerletzten Tag vor dem Fest eintreffen sollte. Es war wichtig für Tam, sein
Wort zu halten. Rand war froh, dass er auf diese Art vom Hof wegkam, und noch
mehr freute er sich auf Bel Tine.
    Als Rand seine Straßenseite musterte, wuchs
in ihm das Gefühl, beobachtet zu werden. Für eine Weile bemühte er sich, das
Gefühl beiseite zu schieben. Zwischen den Bäumen bewegte sich nichts, und kein
Laut war zu hören, außer dem Aufheulen des Windes. Aber das Gefühl blieb nicht
nur, es verstärkte sich. Die Haare auf seinen Armen stellten sich auf, und
seine Haut prickelte.
    Verwirrt nahm er den Bogen in die andere
Hand, rieb sich die Arme und sagte sich, er müsse aufhören, sich Dinge
einzubilden. Gar nichts befand sich im Wald auf dieser Straßenseite, und gäbe
es auf der anderen Seite etwas, dann hätte Tam ihm das gesagt. Er blickte über
die Schulter zurück – und zwinkerte. Nicht weiter als zwanzig Spannen entfernt
die Straße hinunter folgte ihnen eine verhüllte Figur auf einem Pferd. Pferd
und Reiter wirkten gleich: schwarz, matt, unauffällig.
    Mehr oder weniger aus Gewohnheit ging er
neben dem Karren rückwärts weiter, während er die Gestalt betrachtete. Der
Mantel bedeckte den Reiter bis hinunter zu den Stiefelschäften, und die Kapuze
war über das Gesicht gezogen, sodass kein Teil seines Körpers sichtbar war.
Ganz nebenher fiel Rand auf, dass mit diesem Reiter etwas nicht stimmte, doch
es war vor allem die dunkle Öffnung der Kapuze, die ihn fesselte. Er konnte nur
vage Umrisse eines Gesichts
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