Das Rad der Zeit 1. Das Original
Manchmal fragte er sich, wie viele Meilen in der Stunde ein Blasser
zurücklegen konnte. Jede versäumte Minute reute ihn â aber zugegebenermaÃen
nicht so sehr, wenn er dabei die heiÃe Suppe einer Bauersfrau hinunterlöffeln
konnte. Und wenn sie nichts zu beiÃen hatten, war das Wissen, dass sie sich mit
jeder Minute Caemlyn ein wenig näherten, ein schwacher Trost für einen leeren
Magen. Rand konnte sich nicht entscheiden, was schlimmer war: ein leerer Magen
oder verlorene Zeit. Nur Mat ging noch ein Stückchen weiter, als sich nur über
seinen Bauch oder die Verfolger Gedanken zu machen.
»Was wissen wir denn schon von ihnen?«,
fragte Mat eines Nachmittags, als sie auf einem kleinen Hof den Stall ausmisteten.
»Licht, Mat, was wissen sie denn über
uns?«, ächzte Rand. Sie arbeiteten mit nacktem Oberkörper und waren beide mit
Schweià und Stroh bedeckt. Die Luft war voll von Strohstaub. »Jedenfalls weiÃ
ich, dass sie uns Lammbraten und ein richtiges Bett zum Schlafen geben.«
Mat stieà seine Mistgabel in den Haufen
aus Stroh und Dung und sah den Bauer von der Seite her an. Der war aus dem
rückwärtigen Teil des Stalls gekommen, trug einen Eimer in der einen Hand und
in der anderen seinen Melkhocker. Es war ein gebeugter alter Mann mit einer
Haut wie Leder und dünnem grauem Haar. Der Bauer verlangsamte seinen Schritt,
als er bemerkte, dass Mat ihn ansah, blickte dann aber schnell zur Seite und
eilte aus der Scheune, wobei Milch über den Eimerrand schwappte.
»Ich sage dir, er führt etwas im
Schilde«, beharrte Mat. »Hast du gemerkt, dass er mir nicht in die Augen sehen
konnte? Warum sind sie so freundlich zu ein paar Wanderern, die sie zuvor noch
nie gesehen haben? Sagâs mir!«
»Seine Frau sagt, wir erinnern sie an
ihre Enkel. Hör schon auf, dir darüber Gedanken zu machen. Was uns Sorgen
bereitet, kommt hinter uns nach. Das hoffe ich jedenfalls.«
»Er plant irgendwas«, murmelte Mat.
Als sie fertig waren, wuschen sie sich an
dem Trog vor der Scheune. Ihre Schatten erstreckten sich lang unter der
sinkenden Sonne. Rand trocknete sich mit seinem Hemd ab, während sie zum Haus
gingen. Der Bauer erwartete sie an der Tür. Er lehnte sich etwas zu beiläufig
auf seinen Stock. Hinter ihm verkrampfte seine Frau die Hände um den
Schürzenrand und schaute ihm über die Schulter. Sie kaute unentschlossen auf
der Unterlippe. Rand seufzte. Er glaubte nicht, dass Mat und er sie jetzt noch
an ihre Enkel erinnerten.
»Unsere Söhne kommen heute Abend zu
Besuch«, sagte der alte Mann. »Alle vier. Ich hatte es vergessen. Sie können
jede Minute eintreffen. Ich fürchte, wir haben kein Bett mehr frei, auch wenn
wir es euch versprochen haben.«
Seine Frau schob ein kleines, in eine Stoffserviette
gehülltes Bündel an ihm vorbei. »Hier habt ihr Brot und Käse, Gurke und
Lammfleisch. Genug für zwei Mahlzeiten. Hier!« Ihr runzliges Gesicht flehte sie
stumm an, es doch bitte anzunehmen und zu verschwinden.
Rand nahm das Bündel. »Danke. Ich verstehe
schon. Komm, Mat.«
Mat folgte ihm. Er murrte vor sich hin,
während er sich das Hemd überzog. Rand hielt es für das Beste, so viele Meilen
wie möglich zurückzulegen, bevor sie anhielten und aÃen. Der alte Bauer hatte
einen Hund.
Es hätte schlimmer kommen können, dachte
er. Vor drei Tagen hatte man die Hunde auf sie gehetzt, als sie noch bei der
Arbeit waren. Die Hunde und der Bauer mit seinen beiden Söhnen hatten sie
knüppelschwingend auf die StraÃe nach Caemlyn und noch eine halbe Meile weiter gejagt,
bevor sie aufgaben. Sie hatten kaum Zeit genug gehabt, ihre Habseligkeiten
zusammenzuraffen und loszurennen. Der Bauer hatte einen Bogen getragen und
einen Pfeil mit breiter Spitze aufgelegt gehabt.
»Kommt ja nicht zurück!«, hatte er ihnen
nachgeschrien. »Ich weià nicht, was ihr wollt, aber ich will eure Wieselaugen
nicht mehr sehen!«
Mat hatte sich umdrehen wollen, fummelte
bereits an seinem Köcher herum, aber Rand zog ihn weiter. »Bist du verrückt?«
Mat warf ihm einen mürrischen Blick zu, aber wenigstens rannte er weiter.
Rand fragte sich manchmal, ob es sich
wirklich lohnte, zu Bauernhöfen zu gehen. Je weiter sie kamen, desto
misstrauischer wurde Mat Fremden gegenüber und desto weniger konnte er es
verbergen. Er gab sich auch kaum Mühe dabei. Die
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