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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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verwirrt an. »Hast du
jemals einen Raben gesehen, der sich so verhielt?«, fragte er ruhig.
    Mat schüttelte den Kopf, ohne den Raben
aus den Augen zu verlieren. »Nie. Und auch noch keinen anderen Vogel.«
    Â»Ein übler Vogel«, sagte eine
Frauenstimme hinter ihnen. Trotz des darin mitschwingenden Abscheus klang die
Stimme melodiös. »Selbst in guten Zeiten sollte man ihm misstrauen.«
    Mit einem schrillen Schrei warf sich der
Rabe so kraftvoll in die Luft, dass zwei schwarze Federn vom Rand des Daches
herunterschwebten.
    Ãœberrascht drehten sich Rand und Mat
herum und verfolgten den schnellen Flug des Vogels über das Grün hinweg in
Richtung auf die wolkenverhangenen Verschleierten Berge zu, die hinter dem Westwald
hoch aufragten, bis er zu einem verschwindend kleinen Punkt am Westhimmel wurde
und dann ganz außer Sicht war.
    Rands Blick fiel auf die Frau, die sie
angesprochen hatte. Auch sie hatte den Flug des Raben verfolgt und wandte sich
nun ihnen zu. Ihr Blick traf den seinen. Er konnte sie nur stumm anstarren.
Dies musste Lady Moiraine sein, und sie war alles wert, was Mat und Ewin über
sie gesagt hatten, alles und noch mehr.
    Als er gehört hatte, dass sie Nynaeve als
Kind bezeichnet hatte, stellte er sie sich als alte Dame vor, doch das war sie
nicht. Zumindest war er nicht in der Lage, ihr Alter auch nur zu schätzen.
Zuerst dachte er, sie sei genauso jung wie Nynaeve, aber je länger er sie
ansah, desto mehr war er überzeugt, dass sie doch älter war. Um ihre großen
dunklen Augen herum lag eine Reife, ein Hauch von Lebenserfahrung, die kein
junger Mensch besitzen konnte. Einen Moment lang glaubte er, diese Augen seien
tiefe Seen, die ihn gleich verschlingen würden. Es war klar, warum Mat und Ewin
sie als eine Lady aus den Märchen bezeichnet hatten. Sie besaß eine Anmut, dass
er sich unbeholfen und plump vorkam. Sie reichte ihm zwar kaum bis zur Brust,
aber ihre Ausstrahlung ließ ihre Größe genau richtig erscheinen, und er kam
sich selbst linkisch vor.
    Wenn er es recht bedachte, glich sie
niemandem, den er je zuvor gesehen hatte. Die weite Kapuze des Mantels umrahmte
ihr Gesicht und das dunkle lockige Haar. Er hatte noch nie eine erwachsene Frau
gesehen, deren Haar nicht zu Zöpfen geflochten war; jedes Mädchen der Zwei
Flüsse wartete ungeduldig darauf, dass der Frauenkreis ihres Dorfes
feststellte, sie sei alt genug, um einen Zopf zu tragen. Ihre Kleidung wirkte
ebenso fremdartig. Ihr Umhang war aus himmelblauem Samt mit viel silbernem
Zierrat, Blättern und Ranken und Blumen am ganzen Saum entlang. Ihr Kleid
schimmerte leicht, wenn sie sich bewegte. Es war von einem dunkleren Blau als
der Mantel und wies einen elfenbeinfarbenen Schrägstreifen auf. Um den Hals
trug sie ein Band aus schweren Goldringen, während ihr von einer feineren
Goldkette im Haar ein kleiner, blau funkelnder Edelstein in die Mitte der Stirn
herunterhing.
    Um die Taille lag ein breiter Gürtel aus
gewobenen Goldfäden, und am Ringfinger der linken Hand steckte ein Goldring in
Form einer Schlange, die sich in den Schwanz biss. Er hatte noch nie einen
solchen Ring gesehen, aber er erkannte die Große Schlange, ein noch älteres
Symbol für die Ewigkeit als das Rad der Zeit.
    Schöner als alle Festkleider hatte Ewin
gesagt, und er hatte Recht gehabt. Niemand bei den Zwei Flüssen kleidete sich
so. Niemals.
    Â»Guten Morgen, Frau … äh … Lady
Moiraine«, sagte Rand. Sein Gesicht wurde ganz heiß, als er sich so versprach.
    Â»Guten Morgen, Lady Moiraine«, kam das
etwas geschliffenere Echo von Mat, doch ein wenig unsicher klangen auch seine
Worte.
    Sie lächelte, und Rand fragte sich, ob er
irgendetwas für sie tun könnte, damit er eine Entschuldigung dafür hatte, in
ihrer Nähe zu verweilen. Er wusste, dass sie alle anlächelte, doch es schien
ihm, als lächle sie nur für ihn allein. Es war wirklich so, als sei eine
Märchengestalt zum Leben erwacht. Mats Gesicht zeigte ein albernes Grinsen.
    Â»Ihr kennt meinen Namen«, sagte sie, und
es klang erfreut. Als ob ihre Gegenwart, und wenn sie von noch so kurzer Dauer
war, nicht das wichtigste Gesprächsthema im Dorf für das nächste Jahr wäre!
»Aber ihr müsst mich Moiraine nennen, nicht Lady. Und wie heißt ihr?«
    Ewin sprang in die Bresche, noch bevor
einer der beiden den Mund aufbrachte. »Mein Name ist Ewin Finngar, Lady.

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