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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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zum Teil eines
Kellers gemacht.
    Die Reliefs genau im Zentrum der Wand
waren besonders reich verziert. So gut ausgearbeitet der Rest auch war, im
Vergleich hierzu erschien er wie eine rohe Kopie. Obwohl sie aus dem harten
Gestein herausgearbeitet waren, erschienen diese Blätter weich, in einem
Augenblick eingefangen, als sie gerade von einer sanften Sommerbrise bewegt
wurden. Trotzdem fühlte man das Alter an ihnen – so viel älter als der Rest des
Steins, wie dieser älter als die Ziegelsteine war. So alt und noch älter. Loial
sah sie an, als befände er sich lieber irgendwo anders, selbst draußen auf der
Straße, wieder mal mit einem Mob auf den Fersen.
    Â»Avendesora«, murmelte Moiraine, und ihre
Hand ruhte dabei auf einem in Stein gehauenen dreiteiligen Blatt. Rand suchte
die verzierten Teile ab: Es war das einzige Blatt dieser Art, das er finden
konnte. »Das Blatt vom Baum des Lebens ist der Schlüssel«, sagte die Aes Sedai,
und das Blatt löste sich und fiel in ihre Hand. Rand blinzelte, und von hinten
her hörte er, wie seine Gefährten überrascht nach Luft schnappten. Das Blatt
schien genauso wie alle anderen ein Teil der Wand gewesen zu sein. Ganz
selbstverständlich fügte die Aes Sedai es nun eine Handspanne tiefer in das
Muster ein. Das Blatt mit seinen drei Spitzen passte hinein, als sei dieser
Platz dafür vorgesehen gewesen, und so war es nun wieder Teil eines Ganzen.
Sobald es sich dort befand, änderte sich die gesamte Natur der zentralen
Steinplatte.
    Er war jetzt sicher, dass die Blätter von
einer nicht fühlbaren Brise bewegt wurden. Er bildete sich beinahe ein, sie
grünten unter dem Staub – ein Gewebe kräftigen Frühlingsgrüns hier in dem von
Laternen erleuchteten Keller. Zuerst fast unmerklich öffnete sich ein Spalt in
der Mitte des uralten Frieses. Er weitete sich, als die beiden Hälften langsam
herausklappten, bis sie in rechtem Winkel abstanden. Die Rückseiten des Tors
waren genauso geschmückt wie die Vorderseiten; das gleiche üppige Gewirr von
Ranken und Blättern, die beinahe zu leben schienen. Dahinter, wo sich Erdboden
oder der Keller des nächsten Gebäudes befinden sollte, spiegelten sich ihre
Gestalten schwach in einem matten, reflektierenden Glimmen. »Ich habe gehört«,
sagte Loial halb trauernd und hab ängstlich, »dass die Tore zu den Kurzen Wegen
einst wie Spiegel glänzten. Einst ging der, der die Wege benützte, durch die
Sonne und den Himmel. Einst.«
    Â»Wir müssen uns beeilen«, sagte Moiraine.
    Lan ging an ihr vorbei. Er führte Mandarb
und hatte die an der Stange befestigte Laterne in der Hand. Sein schattenhaftes
Spiegelbild kam auf ihn zu und führte ein Schattenpferd. Mensch und Spiegelbild
schienen an der schimmernden Oberfläche ineinander zu fließen, und dann waren
beide verschwunden. Einen Augenblick lang scheute der schwarze Hengst, als ihn
ein scheinbar ununterbrochener Zügel mit dem trüben Umriss seines eigenen
Spiegelbilds verband. Der Zügel straffte sich, und auch das Streitross
verschwand.
    Eine Weile lang standen alle da und
starrten das Tor an. »Beeilt Euch«, trieb Moiraine sie an. »Ich gehe als
Letzter durch. Wir können das Tor nicht offen stehen lassen und riskieren, dass
es jemand findet. Schnell!«
    Mit einem schweren Seufzer schritt Loial
in das Schimmern hinein. Das große Pferd warf den Kopf auf und versuchte, sich
von der Oberfläche fern zu halten, aber es wurde einfach hindurchgezogen. Sie
waren genauso vollständig verschwunden wie der Behüter und Mandarb. Zögernd
streckte Rand seine Laterne zu dem Tor aus. Die Laterne sank in ihr Spiegelbild
ein. Die beiden verschmolzen, bis sie verschwunden waren. Er zwang sich
weiterzugehen, beobachtete, wie die Stange Stück um Stück verschwand, und dann
schritt er auf sich selbst zu und betrat das Tor. Er öffnete überrascht den
Mund. Etwas Eisiges glitt an seiner Haut entlang, als schreite er durch einen
Vorhang aus kaltem Wasser. Die Zeit dehnte sich; die Kälte umschloss ein Haar
nach dem anderen und zitterte sich Faden um Faden durch seine Kleidung.
    Mit einem Schlag zerplatzte die Kälte wie
eine Blase, und er blieb stehen, um Luft zu holen. Er befand sich innerhalb der
Kurzen Wege. Ein Stück vor ihm warteten Lan und Loial geduldig neben ihren Pferden.
Um sie herum war eine Schwärze, die sich in die Unendlichkeit zu

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