Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Kaufleute mieden mittlerweile den Palast und betraten die Innenstadt so wenig wie möglich, nur damit niemand auf die Idee kam, sie hätten den Palast besucht, und die Bankiers kamen vermummt in anonymen Kutschen. Niemand wünschte ihr etwas Böses, das war ihr klar, und mit Sicherheit wollte sie auch niemand verärgern, aber sie wollten auch Arymilla nicht verärgern, vor allem jetzt nicht. Immerhin kamen die Bankiers noch, und bislang hatte sie noch nicht gehört, dass Kaufleute sich mit ihren Petitionen an Arymilla gewandt hatten. Das würde das erste Zeichen sein, dass ihre Sache verloren war.
Das Gewand anzuziehen dauerte doppelt so lange, wie es hätte dauern dürfen, da Essande Sephanie erlaubte, Elayne dabei zu helfen. Die ganze Zeit über atmete das Mädchen schwer, sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, eine andere Person anzukleiden und hatte Angst, unter Essandes strengen Blicken Fehler zu machen. Vermutlich sogar mehr, als sie vor ihrer Herrin zu machen, dachte Elayne. Nervosität machte die mollige junge Frau ungeschickt, die Ungeschicklichkeit führte dazu, dass sie sich noch größere Mühe gab, was wiederum dazu führte, dass sie noch mehr befürchtete, Fehler zu machen. Als Resultat bewegte sie sich noch langsamer, als es die alte und hinfällige Frau je getan hatte. Aber endlich saß Elayne Aviendha gegenüber und ließ Essande ihre Locken mit einem Elfenbeinkamm bearbeiten. Einem der Mädchen zu erlauben, Elayne ein Unterhemd über den Kopf zu ziehen oder einen Knopf zuzuknöpfen, war Essandes Ansicht zufolge eine Sache, aber das Risiko einzugehen, dass sie ihre Frisur durcheinanderbrachten, eine ganz andere.
Aber der Kamm hatte noch keine zwei Dutzend Striche gemacht, als Birgitte in der Tür erschien. Essande schniefte, und Elayne konnte förmlich vor ihrem geistigen Auge sehen, wie die Frau hinter ihr das Gesicht verzog. Essande hatte es – wenn auch nur widerstrebend – aufgegeben, sich darüber zu ärgern, dass Birgitte beim Baden anwesend war, aber das Ankleidezimmer war heilig.
Überraschenderweise ignorierte Birgitte das Missfallen der Leibdienerin und zeigte sogar einen beschwichtigenden Blick. Für gewöhnlich verzichtete sie bloß darauf, Essande eine Handspanne weiter in die Ecke zu treiben, als Elayne verlangte. »Dyelin ist zurückgekehrt, Elayne. Sie hat jemanden mitgebracht. Die Hohen Herrinnen und Herren von Mantear, Haevin, Gilyard und Northan.« Aus irgendeinem Grund vermittelte der Bund Töne von Verblüffung und Verärgerung.
Ob nun geteilter Kopfschmerz oder nicht, Elayne hätte einen Freudensprung machen können. Und hätte Essande den Kamm nicht tief in ihren Locken vergraben gehabt, hätte sie es vielleicht sogar getan. Sie hatte darauf gehofft, hatte dafür gebetet, aber sie hatte es nicht erwartet, mit Sicherheit nicht in einer kurzen Woche. Ehrlich gesagt war sie sich sicher gewesen, dass Dyelin mit leeren Händen zurückkehren würde. Vier Häuser verschafften ihr den Gleichstand mit Arymilla. Der Gedanke, mit dieser närrischen Frau auf gleicher Höhe zu sein, war abscheulich, aber die Wahrheit musste die Wahrheit bleiben. Mantear, Haevin, Gilyard und Northan. Warum nicht Candraed? Das war das fünfte Haus, das Dyelin hatte ansprechen wollen. Nein. Sie hatte vier weitere Häuser, und sie würde nicht darüber schmollen, dass eins fehlte.
»Bewirte sie im Gästewohnzimmer, bis ich kommen kann, Birgitte.« Das kleine Wohnzimmer hatte für Zaida ausgereicht – sie hoffte, dass die Herrin der Wogen die Beleidigung nicht bemerkt hatte –, aber vier Hohe Herrinnen und Herren erforderten etwas mehr. »Und bitte die Haushofmeisterin, Unterkünfte vorzubereiten.« Unterkünfte. Beim Licht! Man würde die Atha’an Miere aus den ihren drängen müssen, um Platz zu schaffen. Bis zu ihrer Abreise schliefen in den meisten Betten, die nicht von zwei Personen benutzt wurden, drei Personen. »Essande, ich glaube, das grüne Seidene mit den Saphiren. Und auch Saphire für mein Haar. Die großen Saphire.«
Birgitte ging, und sie war noch immer verwirrt und aufgebracht. Warum? Sie konnte doch nicht allen Ernstes glauben, sie hätte Dyelin wegen Zaida warten lassen müssen? O Licht, jetzt war sie verwirrt, weil Birgitte verwirrt war; wenn sie dem freie Hand ließ, würde ihnen beiden noch schwindelig! Als sich die Tür schloss, trat Essande mit einem triumphierenden Lächeln zum nächsten Kleiderschrank.
Elayne betrachtete Aviendha, die Naris weggeschickt hatte und ihr
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