Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Feinden.«
Als Karede Ajimburas Schale an die Lippen führte, war er sich bewusst, dass sein Besucher ihn beobachtete. Der Wein war tatsächlich kühl und die Gewürze bitter, darüber hinaus war da ein schwacher, strenger Nachgeschmack von Silberpolitur; er sagte sich, dass der Geschmack nach dem Staub des Toten nur in seiner Vorstellung existierte.
Mor stürzte die Hälfte seines Weins in hastigen Zügen hinunter, dann starrte er auf seinen Pokal, schien zu begreifen, was er getan hatte, und machte eine sichtliche Anstrengung, die Selbstbeherrschung zurückzuerlangen. »Furyk Karede«, sagte er energisch. »Vor zweiundvierzig Jahren als Sohn von Webern zur Welt gekommen, dem Besitz eines gewissen Jalid Magonine, einem Handwerker in Ancarid. Mit fünfzehn zur Ausbildung in der Totenwache aufgenommen worden. Zweimal wegen Tapferkeit verzeichnet, dreimal in den Tagesberichten erwähnt, dann als Veteran von sieben Jahren bei der Geburt der Hochlady Tuon zu ihrer Leibwache befohlen.« Natürlich war das damals nicht ihr Name gewesen, aber ihren Geburtsnamen zu erwähnen wäre eine Beleidigung gewesen. »Im gleichen Jahr als einer von drei Überlebenden des ersten bekannt gewordenen Anschlags auf ihr Leben zur Ausbildung als Offizier erwählt. Dienst während des Muyami-Aufstands und dem Jianmin-Zwischenfall, weitere Erwähnungen für Tapferkeit, weitere Erwähnungen in Tagesberichten, dann kurz vor dem ersten Wahren Namenstag der Hochlady zurück zu ihrer Leibwache abkommandiert.« Mor schaute in seinen Wein, dann blickte er plötzlich auf. »Aufgrund Eurer Bitte, was ungewöhnlich war. Im folgenden Jahr habt Ihr drei ernsthafte Verletzungen davongetragen, als Ihr sie mit dem Körper gegen weitere Attentäter gedeckt habt. Sie gab Euch ihren kostbarsten Besitz, eine Puppe. Nach weiterem ehrenvollem Dienst, mit weiteren Erwähnungen, hat man Euch für die Leibwache der Kaiserin erwählt, möge sie ewig leben, dort habt Ihr gedient, bis man Euch dazu abkommandiert hat, den Hochlord Turak mit der Hailene in dieses Land zu begleiten. Die Zeiten ändern sich, und Männer ändern sich, aber bevor Ihr den Thron bewacht habt, habt Ihr noch zwei weitere Gesuche eingebracht, Hochlady Tuons Leibwache zugeteilt zu werden. Was sehr ungewöhnlich war. Und Ihr habt diese Puppe behalten, bis sie beim Großen Brand von Sohima zerstört wurde, also insgesamt zehn Jahre.«
Nicht zum ersten Mal dankte Karede der Ausbildung, die ihm erlaubte, ein regloses Gesicht zu behalten, was auch immer geschah. Sorgloses Mienenspiel verriet einem Gegner zu viel. Er erinnerte sich an das Gesicht des kleinen Mädchens, das diese Puppe auf seine Trage gelegt hatte. Er hatte noch immer ihre Worte im Ohr. Ihr habt mein Leben beschützt, darum müsst Ihr Emela nehmen, damit sie Euch beschützen kann, sagte sie. Natürlich kann sie Euch nicht richtig beschützen; sie ist bloß eine Puppe. Aber behaltet sie als Erinnerung, dass ich es immer hören werde, wenn Ihr meinen Namen sagt. Natürlich nur, wenn ich noch am Leben bin.
»Meine Ehre heißt Loyalität«, sagte er und stellte Ajimburas Trinkschale vorsichtig auf dem Tisch ab, um keinen Wein auf die Dokumente zu verschütten. Sooft der Bursche auch das Silber polierte, Karede bezweifelte, dass er sich die Mühe machte, das Ding auszuwaschen. »Loyalität dem Thron gegenüber. Warum seid Ihr zu mir gekommen?«
Mor machte einen Schritt, sodass sich der Lehnstuhl zwischen ihnen befand. Zweifellos glaubte er, ganz entspannt dazustehen, aber er war offensichtlich bereit, den Pokal zu schleudern. Er hatte auf dem Rücken unter dem Mantel ein Messer stecken, und vermutlich irgendwo noch ein anderes. »Drei Gesuche, der Leibwache von Hochlady Tuon zugeteilt zu werden. Und Ihr habt die Puppe behalten.«
»Das habe ich schon verstanden«, erwiderte Karede trocken. Totenwächter sollten keine Beziehung zu denen aufbauen, die sie beschützen sollten. Die Totenwache diente allein dem Kristallthron, diente allein dem, der auf dem Thron saß, mit ganzem Herzen und voller Überzeugung. Aber er erinnerte sich an das Gesicht dieses ernsten Kindes, das sich bereits darüber im Klaren war, dass es nicht überleben würde, um seine Pflicht zu tun, und es trotzdem versuchte, und er hatte die Puppe behalten. »Aber da steckt mehr dahinter als nur das Gerücht über ein Mädchen, oder?«
»Der Atem eines Schmetterlings«, murmelte der Bursche. »Es ist ein Vergnügen, sich mit jemandem zu unterhalten, der so tief blickt. In
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