Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
Gesicht nicht gut sehen, aber ihr Gesichtsausdruck konnte nur böse oder flehend sein, und Dairaine flehte nur bei den Shaido. Sie nutzte ihre Position als eine von Sevannas Gai’shain aus, um andere Gai’shain einzuschüchtern, und mit ihren Geschichten schüchterte sie ihresgleichen ein. Das Problem war nur, sie konnten sie nicht hierlassen. Jeden Augenblick konnte jemand kommen, um eine von ihnen zum Dienst bei Sevanna zu rufen.
»Wir können sie töten und die Leiche verstecken«, schlug Alliandre vor und strich sich das lange Haar zurecht. Der Kampf hatte es durcheinandergebracht.
»Wo?«, fragte Maighdin und kämmte sich ihr sonnengoldenes Haar mit den Fingern. Sie klang nicht im Mindesten wie eine Dienerin, die mit einer Königin sprach. Gefangene waren in ihrer Gefangenschaft alle gleich, oder sie machten es ihren Wärtern einfacher. Es hatte Zeit gebraucht, bis Alliandre das begriffen hatte. »Es muss eine Stelle sein, an der man sie mindestens einen Tag lang nicht findet. Sevanna könnte Galina Männer hinterherschicken, um uns zurückzuholen, wenn man uns verdächtigt, eines ihrer Besitztümer getötet zu haben.« Sie belegte das Wort mit der ganzen Verachtung, zu der sie fähig war. »Und ich vertraue Galina nicht so weit, dass sie sie daran hindern würde, uns zurückzubringen.« Dairaine fing erneut an, gegen ihre Fesseln zu kämpfen, und grunzte noch lauter als zuvor. Vielleicht hatte sie sich doch zum Betteln entschlossen.
»Wir werden sie nicht töten«, sagte Faile. Sie war weder zimperlich noch gnädig. Aber es gab einfach keinen Ort, von dem man mit Sicherheit ausgehen konnte, dass dort eine Leiche lange genug verborgen bleiben würde, jedenfalls keinen, den sie ohne gesehen zu werden erreichen konnten. »Ich fürchte, unsere Pläne haben sich etwas geändert. Wartet hier.«
Sie duckte sich hinaus, wo der Himmel langsam heller wurde, und fand heraus, was Dairaines Misstrauen erregt hatte. Bain und Chiad waren wie erwartet in ihren weißen Gewändern da, um sie bis zum Treffpunkt zu eskortieren. Rolan und seine Freunde waren vermutlich noch nicht mit dem Frühstück fertig – sie hoffte es aus ganzem Herzen; möglicherweise taten sie etwas Dummes und ruinierten alles –, und Bain und Chiad hatten sich freiwillig gemeldet, Männer abzulenken, die sich möglicherweise an sie heranmachen würden. Faile hatte sich nicht zu der Frage überwinden können, wie sie das machen wollten. Manche Opfer verdienten einen Schleier des Stillschweigens. Und Dankbarkeit aus tiefstem Herzen. Zwei Gai’shain mit Weidenkörben hätten nicht gereicht, um die Cairhienerin Verdacht schöpfen zu lassen, aber dreißig oder vierzig Gai’shain schon, die sich auf dem schmalen lehmigen Weg zwischen den Zelten drängten. Aravines derbes Gesicht schaute aus der weißen Kapuze, genau wie Lusaras schönes. Alvon war mit seinem Sohn Theril da, und Dormin, ein stämmiger cairhienischer Schuster, und Corvila, ein schlanker Weber aus Altara, und … Sie repräsentierten nicht einmal ein Zehntel der Leute, die ihr die Treue geschworen hatten, aber eine so große Versammlung von Gai’shain hätte einen Stein misstrauisch werden lassen. Jedenfalls wenn man hinzuzählte, dass sie drei schon angezogen gewesen waren. Vermutlich hatte Dairaine mitbekommen, wer Sevanna heute Morgen dienen musste. Wie hatten sie alle erfahren, dass sie heute ging? Es war zu spät, sich darüber noch Sorgen zu machen. Hätten die Shaido Bescheid gewusst, hätte man sie alle schon längst aus den Zelten gezerrt.
»Was macht ihr hier?«, wollte sie wissen.
»Wir wollten Euch gehen sehen, meine Lady«, sagte Theril mit seinem groben, fast unverständlichen Akzent. »Wir sind sehr vorsichtig gewesen, nur allein oder zu zweit gegangen.« Lusara nickte fröhlich, und sie war nicht die Einzige.
»Nun, wir können uns jetzt verabschieden«, sagte Faile fest. Unnötig, ihnen zu sagen, dass sie um ein Haar die Flucht zunichtegemacht hatten. »Bis ich für euch zurückkomme.« Wenn ihr Vater ihr kein Heer zur Verfügung stellte, dann eben Perrin. Seine Freundschaft mit Rand al’Thor würde dafür sorgen. Beim Licht, wo blieb er bloß? Nein! Sie musste froh sein, dass er sie noch nicht gefunden hatte, dass er sich nicht bei dem Versuch, sich in das Lager zu schleichen und sie zu befreien, umgebracht hatte. Sie musste froh sein und nicht daran denken, was ihn möglicherweise aufhielt. »Und jetzt geht, bevor euch jemand hier sieht und losläuft, um
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