Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
Geschichten zu erzählen. Und zu niemandem auch nur ein Wort!« Ihre Gefolgsleute waren sicher, sonst hätte man sie schon längst in Ketten gelegt, aber es gab unter den Gai’shain zu viele wie Dairaine, und nicht nur unter den schon in Gefangenschaft befindlichen Cairhienern. Manche Leute leckten immer Handgelenke, wo auch immer sie waren.
Sie verneigten sich oder machten einen Knicks und führten die Knöchel zur Stirn, als könnte niemand den Kopf aus dem Zelt stecken und das sehen, und verteilten sich mit gekränkten Mienen in alle Richtungen. Sie hatten allen Ernstes erwartet, ihrem Aufbruch zusehen zu können! Also sie hatte jetzt wirklich keine Zeit, sich über so etwas aufzuregen. Sie eilte zu Bain und Chiad und erklärte schnell die Situation im Zelt.
Als sie geendet hatte, wechselten die beiden Blicke und stellten die Körbe ab, um die Hände frei für die Zeichensprache der Töchter zu haben. Faile vermied es, ihnen auf die Finger zu sehen, da sie offensichtlich Privatsphäre wollten. Außerdem hätte sie ihnen sowieso nicht folgen können. Ihre Hände bewegten sich sehr schnell. Die rothaarige Bain mit ihren dunkelblauen Augen überragte sie fast um eine halbe Handspanne, die grauäugige Chiad war nur einen Fingerbreit größer. Sie waren eng befreundet, aber die beiden hatten einander als Erstschwestern adoptiert, und das schuf eine Verbindung, die näher als jede Freundschaft war.
»Wir kümmern uns um Dairaine Saighan«, sagte Chiad schließlich. »Aber das bedeutet, dass du allein in die Stadt musst.«
Faile seufzte, aber es war nicht zu ändern. Vielleicht war Rolan ja bereits wach. Er konnte sie in diesem Augenblick beobachten. Er schien immer aus dem Nichts zu erscheinen, wenn sie ihn brauchte. Sicherlich würde er nichts dagegen unternehmen, wenn sie ging, nicht wenn er versprochen hatte, sie mitzunehmen, sollte er aufbrechen. Doch solange sie das Weiß trug, machte er sich noch Hoffnungen. Er und seine Kussspiele! Möglicherweise wollte er sie ja noch länger in ihrem Gai’shain -Gewand sehen. Wenn Männer helfen wollten, glaubten sie immer, dass nur ihre Weise die richtige war.
Bain und Chiad duckten sich in das kleine Spitzzelt, und Alliandre und Maighdin kamen heraus. Dort drinnen war wirklich kein Platz für fünf Personen. Maighdin ging um das Zelt herum und kam mit einem Korb wie dem zurück, den die beiden anderen Frauen getragen hatten. Aus jedem von ihnen quollen schmutzige Gai’shain -Gewänder, was den Eindruck von schmutziger Wäsche erweckte, aber darunter befand sich Kleidung, die fast passte, ein Beil, eine Schleuder, Schnur für Fallen, Feuerstein und Stahl, Mehl, Fleisch, getrocknete Bohnen, Salz und Hefe, ein paar Münzen, die sie hatten finden können, eben alles, was sie für den Weg nach Westen zu Perrin brauchen würden. Galina würde sie aus dem Lager bringen, aber man konnte unmöglich wissen, wohin sie ihre Aes-Sedai-Angelegenheiten führen würden. Sie mussten von Anfang an unabhängig sein. Faile hielt die Aes Sedai durchaus dazu fähig, sie bei der ersten Gelegenheit im Stich zu lassen.
Maighdin stand entschlossen über ihrem Korb, das Kinn nach vorn geschoben und in den Augen einen sturen Ausdruck, aber Alliandre strahlte übers ganze Gesicht.
»Versucht, nicht zu glücklich auszusehen«, sagte Faile zu ihr. Feuchtländer- Gai’shain lächelten nur selten, und niemals so fröhlich.
Alliandre versuchte es, aber jedes Mal, wenn sie das Lächeln unterdrückt hatte, schlich es sich zurück. »Wir flüchten heute«, sagte sie. »Es fällt schwer, nicht zu lächeln.«
»Ihr werdet schon damit aufhören, wenn Euch eine Weise Frau sieht und herausfinden will, warum Ihr glücklich seid.«
»Wir werden kaum eine Weise Frau bei den Gai’shain -Zelten oder in Malden finden«, sagte die Frau und lächelte. Entschlossen oder nicht, Maighdin nickte.
Faile gab es auf. Ehrlich gesagt verspürte sie selbst trotz Daigian so etwas wie Übermut. Heute war der Tag der Flucht.
Bain kam aus dem Zelt, hielt den Eingang für Chiad zurück, die ein in Decken gehülltes Bündel auf dem Rücken trug, das gerade groß genug war, um eine kleine, gekrümmte Frau sein zu können. Chiad war stark, aber sie musste sich etwas nach vorn beugen, um das Gewicht besser zu verteilen.
»Warum ist sie so still?«, fragte Faile. Sie hegte nicht die Befürchtung, dass sie Dairaine getötet hatten. Sie folgten eisern den Regeln der Gai’shain , und Gewalt war verboten. Aber die Decke hätte
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