Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
Vorsichtsmaßnahmen waren nötig. Denn in dem Behälter befanden sich zwei Gegenstände, die ausgesprochen gefährlich waren.
Sorilea betrachtete den Inhalt. Der eine Gegenstand war die etwa einen Fuß große Figur eines weisen, bärtigen Mannes, der eine Kugel hochhielt. Der andere war ein schwarzer metallischer Kragen, zu dem zwei Armreifen gehörten: ein A’dam für einen Mann. Mit diesen Ter’angrealen konnte eine Frau einen Machtlenker zu ihrem Sklaven machen und seine Fähigkeit kontrollieren, die Eine Macht zu berühren. Ihn möglicherweise sogar völlig kontrollieren. Sie hatten den Kragen nicht getestet. Al’Thor hatte es verboten.
Sorilea stieß leise die Luft aus, ignorierte die Statuette und konzentrierte sich auf den Kragen und die Armreifen. »Dieses Ding ist böse.«
»Ja«, sagte Cadsuane. Eigentlich hätte sie keinen Gegenstand je als »böse« bezeichnet, aber der hier war es tatsächlich. »Nynaeve al’Meara behauptet, mit diesem Ding etwas vertraut zu sein. Auch wenn ich aus dem Mädchen nicht herauspressen konnte, woher sie über diese Dinge Bescheid weiß, behauptet sie zu wissen, dass nur ein männlicher A’dam existierte, und dass sie dafür gesorgt hatte, dass man ihn im Ozean versenkt. Allerdings gibt sie zu, dass sie ihn nicht persönlich vernichtet hat. Möglicherweise haben die Seanchaner ihn als Muster benutzt.«
»Das ist sehr beunruhigend«, sagte Sorilea. »Sollte einer der Schattenbeseelten oder selbst einer der Seanchaner ihn damit fangen …«
»Möge das Licht uns alle beschützen«, flüsterte Bair.
»Und die Leute, die diese Dinger besitzen, sind die gleichen Leute, mit denen Rand al’Thor Frieden schließen will?« Sorilea schüttelte den Kopf. »Allein die Herstellung dieser Scheußlichkeiten sollte schon eine Blutfehde rechtfertigen. Ich habe gehört, dass es noch andere wie das da geben soll. Was ist mit denen?«
»Die werden woanders aufbewahrt«, sagte Cadsuane und klappte den Deckel wieder zu. »Zusammen mit den für Frauen bestimmten A’dam , die wir konfisziert haben. Ein paar Bekannte von mir – Aes Sedai, die sich aus der Welt zurückgezogen haben – testen sie, um ihre Schwächen in Erfahrung zu bringen.« Sie hatten auch Callandor . Cadsuane verabscheute es, das Schwert aus den Augen zu lassen, aber sie war der Ansicht, dass es noch immer Geheimnisse in sich verbarg, die man ihm entlocken konnte.
»Das hier habe ich behalten, weil ich eine Möglichkeit finden will, es an einem Mann auszuprobieren«, sagte sie. »Das wäre die beste Methode, seine Schwächen zu ergründen. Aber al’Thor erlaubt nicht, dass man einen seiner Asha’man an die Leine legt. Nicht einmal für einen kurzen Moment.«
Das bereitete Bair Unbehagen. »Das ist irgendwie so, als würde man die Stärke eines Speers testen, indem man jemanden damit sticht«, murmelte sie.
Aber Sorilea nickte. Sie verstand es.
Nachdem sie einen dieser weiblichen A’dam erbeutet hatten, hatte Cadsuane ihn sofort angelegt und nach Möglichkeiten gesucht, sich wieder davon zu befreien. Das hatte sie natürlich unter sorgfältig kontrollierten Umständen getan, mit Frauen, denen sie vertraute und die ihr helfen konnten, ihn wieder loszuwerden. Und schließlich hatten sie genau das tun müssen. Allein auf sich gestellt hatte Cadsuane keine Möglichkeit gefunden, sich aus eigener Kraft zu befreien.
Aber wenn dein Feind plante, dir etwas anzutun, dann musste man entdecken, wie man sich dagegen wehren konnte. Selbst wenn es bedeutete, sich selbst anzuleinen. Al’Thor konnte das nicht begreifen. Als sie ihn gefragt hatte, hatte er nur etwas über »diese verdammte Kiste« gemurmelt und dass man ihn geschlagen hatte.
»Wir müssen etwas wegen dieses Mannes unternehmen«, sagte Sorilea und erwiderte Cadsuanes Blick. »Seit unserer letzten Begegnung ist er schlimmer geworden.«
»Das stimmt«, entgegnete Cadsuane. »Er hat es überraschenderweise geschafft, meine Ausbildung völlig zu ignorieren.«
»Dann lasst es uns besprechen«, sagte Sorilea und zog sich einen Hocker heran. »Ein Plan muss her. Für unser aller Wohl.«
»Für unser aller Wohl«, stimmte Cadsuane ihr zu. »Und vor allem für al’Thors Wohl.«
KAPITEL 15
Ein Anfang
R and erwachte auf dem Korridorboden. Er setzte sich auf. In der Ferne rauschte Wasser. Der Bach vor dem Herrenhaus? Nein … nein, das stimmte nicht. Wände und Boden waren aus Stein, nicht aus Holz. Weder Kerzen noch Lampen hingen von dem Mauerwerk, und doch
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