Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
sich vor. »Wir müssen uns zuerst um ihn kümmern.«
»Nein«, erwiderte Egwene. »Es gibt andere Probleme.«
Miyasi runzelte die Stirn. »Da sich die Letzte Schlacht nähert, sehe ich keine anderen wichtigen Dinge.«
Egwene schüttelte den Kopf. »Wenn wir uns jetzt um Rand kümmern, wären wir wie ein Bauer, der seinen Wagen betrachtet und sich darüber sorgt, dass keine Güter aufgeladen sind, die er verkaufen kann – dabei aber die Tatsache ignoriert, dass die Achse gebrochen ist. Belädt man ihn vor der Zeit, wird man nur den Wagen kaputt machen und dann schlimmer dastehen als zuvor.«
»Und was genau wollt Ihr damit andeuten?«, fragte Tesan.
Egwene richtete den Blick wieder auf Ferane.
»Ich verstehe«, sagte die Sitzende. »Ihr bezieht Euch auf die Spaltung der Weißen Burg.«
»Kann ein gespaltener Stein ein gutes Fundament für ein Haus sein?«, fragte Egwene. »Kann ein ausgefranstes Seil ein in Panik geratenes Pferd halten? Wie können wir in unserem gegenwärtigen Zustand hoffen, den Wiedergeborenen Drachen lenken zu können?«
»Und warum verstärkt Ihr die Spaltung dann, indem Ihr darauf beharrt, der Amyrlin-Sitz zu sein?«, sagte Ferane. »Ihr widerspricht Eurer eigenen Logik.«
»Und auf meinen Anspruch auf den Amyrlin-Sitz zu verzichten würde die Burg heilen?«
»Es würde helfen.«
Egwene hob eine Braue. »Lasst uns für einen Moment annehmen, dass ich durch den Verzicht auf meinen Anspruch die Rebellen dazu überreden könnte, sich wieder der Weißen Burg anzuschließen und Elaidas Führung zu akzeptieren.« Sie hob die Braue noch ein Stück höher, um anzudeuten, für wie wahrscheinlich sie das hielt. »Würde das die Differenzen beseitigen?«
»Ihr habt gerade gesagt, dass es das würde«, sagte Tesan stirnrunzelnd.
»Ach ja?«, erwiderte Egwene. »Würden dann die Schwestern nicht mehr durch die Gänge eilen, weil sie Angst haben, allein zu sein? Würden sich Gruppen von Frauen verschiedener Ajahs keine feindseligen Blicke mehr zuwerfen, wenn sie einander in den Korridoren begegnen? Bei allem nötigen Respekt, würden wir nicht länger das Bedürfnis verspüren, ständig unsere Stolen zu tragen, um zu zeigen, wer wir sind und wo unsere Loyalität liegt?«
Ferane schaute kurz nach unten auf ihre weiß befranste Stola.
Egwene beugte sich vor und fuhr fort. »Von allen Frauen in der Weißen Burg wisst Ihr doch sicherlich am besten, wie wichtig es ist, dass die Ajahs zusammenarbeiten. Wir können nicht darauf verzichten, dass sich Frauen mit verschiedenen Fähigkeiten und Interessen in Ajahs organisieren. Aber ergibt es irgendeinen Sinn, wenn wir darauf verzichten, miteinander zusammenzuarbeiten?«
»Diese … bedauerlichen Spannungen haben nicht die Weißen zu verantworten«, sagte Miyasi mit leisem Schnauben. »Das waren jene, die ihren außer Kontrolle geratenen Gefühlen folgten.«
»Dafür ist die derzeitige Führung verantwortlich«, sagte Egwene. »Eine Führung, die uns lehrt, dass es völlig in Ordnung ist, Schwestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu dämpfen und Behüter hinzurichten, bevor ihre Aes Sedai überhaupt vor Gericht gestellt wurden. Dass nichts daran falsch ist, einer Schwester die Stola abzunehmen und sie zu einer Aufgenommenen zu degradieren, dass nichts daran falsch ist, eine ganze Ajah aufzulösen . Und was ist damit, ohne den Rat des Saals ein so gefährliches Unternehmen wie die Entführung und Gefangennahme des Wiedergeborenen Drachen zu befehlen? Kommt es so unerwartet, dass Schwestern so verängstigt und besorgt sind? Ist nicht alles, was mit uns passiert ist, völlig logisch? «
Die drei Weißen schwiegen.
»Ich werde mich nicht unterwerfen«, sagte Egwene. »Nicht, solange das an der Spaltung nichts ändert. Ich werde auch weiterhin behaupten, dass Elaida nicht die Amyrlin ist. Ihre Handlungen haben es bewiesen. Ihr wollt beim Kampf gegen den Dunklen König helfen? Nun, Euer erster Schritt liegt darin, sich nicht um den Wiedergeborenen Drachen zu kümmern. Euer erster Schritt sollte sein, den Schwestern der anderen Ajahs die Hand zu reichen.«
»Warum wir?«, wollte Tesan wissen. »Wir sind nicht für die Taten der anderen verantwortlich.«
»Und Euch kann man keinen Vorwurf machen?«, fragte Egwene und ließ etwas von ihrer Wut durchschimmern. Wollte denn keine ihrer Schwestern wenigstens ein Mindestmaß an Verantwortung akzeptieren? »Die Weißen hätten sehen müssen, wo dieser Weg hinführt. Ja, Siuan und die Blauen waren nicht
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