Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
hypothetischen Situation.« Doch vergesst nie, dass ich den Wiedergeborenen Drachen in der realen Welt persönlich kenne. So wie niemand sonst in der Burg.
»Lasst uns annehmen, dass Ihr Ihr seid«, sagte Ferane. »Und dass er Rand al’Thor ist, Euer Kindheitsfreund.«
»Gut.«
Ferane beugte sich vor. »Dann verratet mir, von den Sorten von Männern, die Ihr eben aufgelistet habt, was passt am besten zu diesem Rand al’Thor?«
Egwene zögerte. »Sie alle«, sagte sie und warf eine zerbrochene Walnuss in eine kleine Schale auf dem Tisch. Miyasi würde sie nicht anrühren, aber die anderen beiden waren da nicht so pingelig. »Wäre ich ich und der Drache Rand, dann würde ich ihn als rationalen Menschen kennen – für einen Mann. Wenn er auch manchmal etwas stur ist. Oder meistens. Was aber viel wichtiger ist, ich wüsste, dass er im Grunde seines Herzens ein guter Mann ist. Also würde ich ihm dann Schwestern schicken, die ihm Führung anbieten.«
»Und wenn er das ablehnt?«, wollte Ferane wissen.
»Dann würde ich Spione schicken und ihn beobachten, um in Erfahrung zu bringen, ob er noch der Mann ist, den ich einst kannte.«
»Und während Ihr wartet und ihn ausspioniert, würde er das Land terrorisieren, überall Schaden anrichten und Armeen unter sein Banner zwingen.«
»Und ist es nicht genau das, was wir von ihm wollen? Ich glaube nicht, dass man ihn hätte daran hindern können, Callandor zu nehmen, selbst wenn wir das gewollt hätten. In Cairhien hat er die Ordnung wiederhergestellt, hat Tear und Illian unter einem Herrscher vereint und vermutlich auch Andors Gunst erworben.«
»Ganz zu schweigen von diesen Aiel, die er bezwungen hat«, sagte Miyasi und griff nach einer Handvoll Nüsse.
Egwene warf ihr einen scharfen Blick zu. »Niemand bezwingt die Aiel. Rand hat sich ihren Respekt erworben. Ich war dabei.«
Miyasi erstarrte, die Hand auf dem halben Weg zur Nussschüssel. Sie schüttelte sich, brach den Blickkontakt, schnappte sich die Schüssel und setzte sich wieder. Eine kühle Brise blies über den Balkon und ließ die Pflanzen rascheln, die diesen Frühling nicht so ergrünten, wie sie sollten, worüber sich Ferane bitter beschwert hatte. Egwene fuhr darin fort, Nüsse zu knacken.
»Es hat den Anschein«, sagte Ferane, »als würdet Ihr ihn einfach Chaos verbreiten lassen, wie er gerade Lust hat.«
»Rand al’Thor ist wie ein Fluss«, erwiderte Egwene. »Ruhig und friedlich, wenn er ungestört ist, aber ein tödlicher, reißender Strom, wenn man ihn in ein zu enges Bett zwängt. Was Elaida mit ihm gemacht hat, entspricht ungefähr dem Versuch, den Manetherendrelle durch eine zwei Fuß breite Schlucht zu zwingen. Das Temperament eines Mannes in aller Ruhe zu ergründen ist nicht dumm, und es ist auch kein Zeichen von Schwäche. Ohne Informationen zu handeln ist Wahnsinn, und die Weiße Burg verdient den Sturm, den sie geweckt hat.«
»Vielleicht«, meinte Ferane. »Aber Ihr habt mir immer noch nicht verraten, wie Ihr mit der Situation umgehen würdet, sobald Ihr Eure Informationen gesammelt habt und die Zeit des Wartens vorbei ist.« Ferane war für ihr Temperament bekannt, aber im Augenblick zeigte ihre Stimme die Kälte, für die die Weißen berüchtigt waren. Es war die Kälte von jemandem, der ohne jedes Gefühl sprach, der an die Logik dachte, ohne äußere Einflüsse zu tolerieren.
Es war nicht die beste Methode, um Probleme zu lösen. Menschen waren viel komplizierter als jedes Regelwerk oder Zahlen. Es gab Zeiten, in denen Logik angebracht war, das stimmte, aber es gab auch Zeiten, in denen Gefühle im Vordergrund standen.
Rand stellte ein Problem dar, über das Egwene sich verboten hatte nachzudenken – sie musste ein Problem nach dem anderen lösen. Aber es sprach auch viel dafür, weit vorauszuplanen. Wenn sie sich keine Gedanken darüber machte, wie sie mit dem Wiedergeborenen Drachen verfahren sollte, würde sie sich schließlich in einer genauso aussichtslosen Situation wie Elaida wiederfinden.
Er war nicht mehr der Mann, den sie kannte. Aber die Wurzeln seiner Persönlichkeit mussten noch dieselben wie früher sein. Während der Monate, die sie zusammen durch die Aiel-Wüste gereist waren, hatte sie oft seinen Zorn erleben können. Während seiner Kindheit war er nicht oft zum Vorschein gekommen, aber jetzt begriff sie, dass er immer unter der Oberfläche gelauert haben musste. Er hatte nicht plötzlich Temperament entwickelt; in den Zwei Flüssen hatte ihn nur nie
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