Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
antat. » Saidin ist gereinigt worden«, sagte er zu ihr. »Diese Praxis muss aufhören.«
Sie schürzte die Lippen, betrachtete ihn nachdenklich. »Euer … Mann hat davon erzählt, Coramoor. Es fällt manchen schwer, das zu glauben.«
»Es ist die Wahrheit«, sagte er nachdrücklich.
»Ich bezweifle nicht, dass Ihr das glaubt.«
Rand knirschte mit den Zähnen und bezwang einen weiteren Wutausbruch, seine Hand ballte sich zur Faust. Er hatte den Makel gereinigt! Er, Rand al’Thor, hatte eine Tat vollbracht, wie man sie seit dem Zeitalter der Legenden nicht mehr gesehen hatte. Und wie ging man damit um? Mit Misstrauen und Zweifel. Die meisten nahmen an, dass er verrückt geworden war und darum eine »Reinigung« sah, die nie stattgefunden hatte.
Männern, die die Macht lenken konnten, wurde immer misstraut. Und doch waren sie die Einzigen, die seine Behauptung bestätigen konnten! Er hatte angenommen, dass dieser Sieg Freude und Erstaunen auslöste, aber er hätte es besser wissen müssen. Einst hatte man männliche Aes Sedai genauso respektiert wie ihre weiblichen Gegenstücke, aber das war vor langer Zeit gewesen. Die Tage eines Jorlen Corbesan waren im Dunkel der Zeitalter verschollen. Jetzt konnten sich die Menschen nur noch an die Zerstörung der Welt und den Wahnsinn erinnern.
Sie hassten Machtlenker. Und doch dienten sie einem, indem sie Rand folgten. Begriffen sie denn den Widerspruch nicht? Wie konnte er sie nur davon überzeugen, dass es keinen Grund mehr gab, Männer zu ermorden, die die Eine Macht berühren konnten? Er brauchte sie! Es war durchaus vorstellbar, dass sich unter den Männern, die das Meervolk in den Ozean stürzte, der nächste Jorlen Corbesan befand!
Rand erstarrte. Jorlen Corbesan war einer der talentiertesten Aes Sedai vor der Zerstörung der Welt gewesen, der Schöpfer einiger der erstaunlichsten Ter’angreale , die er je gesehen hatte. Nur dass in Wahrheit nicht er sie gesehen hatte. Das waren Lews Therins Erinnerungen, nicht die seinen. Der Rückschlag der Macht aus der Bohrung hatte Jorlens Forschungsstation in Sharom vernichtet und ihn selbst getötet.
Beim Licht, dachte Rand verzweifelt. Ich verliere mich. Ich verliere mich in ihm.
Das Erschreckende daran war, dass er sich nicht einmal mehr zu dem Wunsch zwingen konnte, Lews Therin zu verbannen. Therin hatte eine Methode gekannt, die Bohrung zu versiegeln, auch wenn sie nicht perfekt gewesen war, aber Rand hatte nicht die geringste Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte. Das Überleben der Welt hing möglicherweise von den Erinnerungen eines toten Verrückten ab.
Viele der Leute um ihn herum wirkten verstört, und Harine sah zugleich unbehaglich und etwas verängstigt aus. Rand wurde sich bewusst, dass er wieder vor sich hin murmelte, und er hörte sofort damit auf.
»Ich akzeptiere Eure Antwort«, sagte er steif. »Wie lautet Eure Frage?«
»Ich werde sie später stellen«, erwiderte Harine. »Sobald ich Gelegenheit hatte, darüber nachzudenken.«
»Wie Ihr wünscht.« Er wandte sich ab, und sein Gefolge aus Aes Sedai, Töchtern und Dienern folgte ihm. »Die Wächter des Reisegeländes werden Euch Euer Zimmer zeigen und Euer Gepäck tragen.« Davon gab es nun buchstäblich einen Berg. »Flinn, zu mir!«
Der ältere Asha’man sprang durch das Tor und bedeutete den letzten Trägern, sich wieder auf das Dock auf der anderen Seite zu begeben. Er ließ das Portal zu einem sich verdrehenden Strich aus Licht zusammenschrumpfen und verschwinden, dann eilte er hinter Rand her. Aber nicht ohne Corele, die mit ihm den Behüterbund eingegangen war, vorher ein Lächeln zuzuwerfen.
»Ich entschuldige mich dafür, dass die Rückreise so lange gedauert hat, Lord Drache.« Flinn hatte ledrige Haut und nur noch ein paar vereinzelte Haarbüschel auf dem Kopf. Er ähnelte verblüffend einigen der Bauern, die Rand aus Emondsfelde kannte, dabei war er den größten Teil seines Lebens Soldat gewesen. Flinn war zu ihm gekommen, weil er das Heilen hatte lernen wollen. Stattdessen hatte Rand ihn zu einer Waffe gemacht.
»Ihr habt getan, was Euch aufgetragen wurde«, sagte er und ging wieder in Richtung Rasen. Er wollte Harine für die Vorurteile einer ganzen Welt verantwortlich machen, aber das war nicht gerecht. Er musste eine bessere Möglichkeit finden, damit sie es alle begriffen.
»Ich war nie besonders gut darin, Wegetore zu erschaffen«, fuhr Flinn fort. »Nicht wie Androl. Ich musste …«
»Flinn«, unterbrach ihn Rand.
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