Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)
Soldaten umherwirbelten. In der Schwarzen Burg erledigte man so viel wie möglich mit der Einen Macht. Ununterbrochen übte man, so wie Männer Steine stemmten, um kräftiger zu werden. Beim Licht, wie Logain und Taim diese Jungen antrieben.
Androl blieb auf der kürzlich mit Schotter versehenen Straße. Der Schotter wies größtenteils geschmolzene Kanten auf, weil man ihn mit Feuer hergestellt hatte. Sie hatten mithilfe von Geweben aus Luft Felsen durch Wegetore hergeschafft und dann mit explosiven Geweben zerschmettert. Es war wie auf einem Schlachtfeld gewesen, berstender Stein, durch die Luft wirbelnde Splitter. Mit dieser Macht und der dazugehörigen Übung würden die Asha’man dazu in der Lage sein, sämtliche Stadtmauern in Trümmer zu verwandeln.
Androl ging weiter. Die Schwarze Burg war ein Ort seltsamer Anblicke, und geschmolzener Schotter war bei Weitem nicht das Seltsamste. Genauso wenig wie die Soldaten, die den Boden aufrissen und Androls sorgfältigen Vermessungen folgten. Für ihn war der seltsamste Anblick in letzter Zeit die Kinder. Sie liefen umher und spielten, sprangen in die Mulde, die die Soldaten gegraben hatten, rutschten die steilen Wände hinunter und kletterten wieder nach oben.
Kinder. Die in von Saidin -Explosionen erschaffenen Löchern spielten. Die Welt veränderte sich. Androls Großmutter, die so alt gewesen war, dass sie keinen Zahn mehr im Mund gehabt hatte, hatte ihm mit Geschichten über Männer, die die Macht lenken, so viel Angst eingejagt, dass er sich in Nächten, in denen er aus dem Haus schleichen wollte, um die Sterne zu betrachten, zitternd in sein Bett verkrochen hatte. Die Dunkelheit draußen hatte ihm keine Angst machen können, genauso wenig wie die Geschichten über Trollocs und Blasse. Aber Männer, die die Macht lenkten … das hatte ihm Höllenängste eingejagt.
Und jetzt war er hier, in seinen mittleren Jahren, hatte plötzlich Angst vor der Dunkelheit, fühlte sich aber wohl unter Männern, die die Macht lenkten. Kies knirschte unter seinen Stiefeln. Die Kinder kletterten auf allen vieren aus der Grube und scharten sich um ihn. Ohne großes Aufheben holte er eine Handvoll Süßigkeiten aus der Tasche, die er bei der letzten Kundschaftermission gekauft hatte.
»Jeder zwei«, sagte er streng, als schmutzige Hände nach den Süßigkeiten griffen. »Und es wird nicht geschubst, klar?« Hände flogen zu den Mündern, und die Kinder nickten dankend und nannten ihn »Meister Genhald«, bevor sie fortliefen. Sie gingen nicht zurück zum Graben, sondern erfanden ein neues Spiel, rannten zu den Feldern im Osten.
Lächelnd rieb sich Androl die Hände sauber. Kinder waren so anpassungsfähig. Bei ihnen konnten Jahrhunderte der Tradition, des Schreckens und des Aberglaubens dahinschmelzen wie zu lange in der Sonne liegen gelassene Butter. Aber es war gut, dass sie aus dem Graben verschwunden waren. Die Eine Macht konnte unberechenbar sein.
Nein. Das war so nicht richtig. Saidin war völlig berechenbar. Die Männer hingegen, die es lenkten … Nun, das war eine ganz andere Geschichte.
Die Soldaten hielten in ihrer Arbeit inne und wandten sich ihm zu. Er war kein vollwertiger Asha’man, darum stand ihm auch kein Gruß zu, aber sie erwiesen ihm ihren Respekt. Fast schon zu viel. Er war sich nicht so richtig darüber im Klaren, warum sie das taten. Er war kein großer Mann, vor allen Dingen nicht hier in der Schwarzen Burg.
Trotzdem nickten sie ihm beim Vorbeigehen zu. Die meisten von ihnen gehörten zu den Rekruten von den Zwei Flüssen. Alles stämmige Burschen, alle eifrig, auch wenn viele von ihnen noch ziemlich jung waren. Die Hälfte von ihnen musste sich nicht häufiger als einmal in der Woche rasieren. Androl begab sich zu ihnen, inspizierte ihre Arbeit, musterte die Reihen aus Schnüren, die er an kleine Holzpflöcke gebunden hatte. »Der Winkel ist gut, Jungs«, sagte er. »Aber macht die Seiten steiler, wenn ihr könnt.«
»Ja, Meister Genhald«, sagte der Mann, der die Gruppe anführte. Jaim Torfinn war sein Name, ein dürrer junger Mann mit hellbraunen Haaren. Er hielt noch immer die Macht. Der tobende Strom aus Kraft war so verführerisch. Nur selten gab es Männer, die ihn ohne ein tief empfundenes Gefühl des Verlusts loslassen konnten.
Der M’Hael ermunterte sie, sie festzuhalten, behauptete, dass sie auf diese Weise besser lernten, sie zu kontrollieren. Aber Androl hatte schon zuvor ähnlich verführerische Gefühle wie Saidin kennengelernt –
Weitere Kostenlose Bücher