Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)
mit einem anderen Muster aus Edelsteinen. Am Hals trug sie an einer langen Schnur Kristall. Vergangene Nacht hatte sie eine Eule an ihrem Fenster gehört, und sie war nicht weggeflogen, als sie hinausgeschaut hatte. Ein Omen, das darauf hinwies, dass man große Sorgfalt walten lassen musste, dass in den nächsten Tagen viele wichtige Entscheidungen getroffen werden würden. Die einzig vernünftige Reaktion darauf war es, Schmuck mit mächtigem Symbolismus zu tragen.
Als sie den Raum betrat, warfen sich alle Anwesenden zu Boden. Nur die Totenwache – Männer in blutroter und dunkelgrüner Rüstung – war davon ausgenommen. Sie verneigten sich, hielten aber den Blick nach oben gerichtet, um jede Gefahr zu erkennen.
Der große Raum hatte keine Fenster. An einem Ende standen Reihen mit aufgestapeltem Tongeschirr, wo Damane zerstörerische Gewebe üben konnten. Der Boden war mit gewebten Matten ausgelegt, um dort widerspenstige Damane zu Fall zu bringen, wo sie sich dann vor Schmerzen winden konnten. Es ging nicht an, dass sie körperliche Schäden davontrugen. Damane gehörten zu den wichtigsten Werkzeugen des Kaiserreichs und waren viel wertvoller als Pferde oder Raken . Man tötete ein Tier nicht, nur weil es nicht schnell genug lernte; man bestraft es so lange, bis es begriffen hatte.
Fortuona durchquerte den Raum bis zu dem Kaiserthron, den man dort aufgestellt hatte. Sie kam oft her und sah zu, wie man mit den Damane arbeitete oder ihren Willen brach. Es beruhigte sie. Der Thron stand auf einem erhöhten Podest; sie stieg die Stufen hinauf, und die Schleppe raschelte, als ihre Da’covale sie trugen. Sie drehte sich um und erlaubte den Dienern, das Kleid richtig zu arrangieren. Sie nahmen sie bei den Armen und hoben sie auf den Thron, drapierten den langen goldenen Rock über die Vorderseite des Podests.
Auf dem Rock waren die Grundsätze der kaiserlichen Macht aufgestickt. Die Kaiserin IST Seanchan. Die Kaiserin WIRD ewig leben. Die Kaiserin MUSS Gehorsam erfahren. Sie saß als lebendiges Banner der Macht des Kaiserreichs.
Selucia nahm ihren Platz auf den unteren Stufen ein. Als das erledigt war, erhoben sich die Höflinge wieder. Die Damane blieben natürlich auf ihren Knien. Es waren zehn von ihnen mit gesenkten Köpfen, und ihre Sul’dam hielten ihre Leinen und tätschelten in manchen Fällen liebevoll ihre Köpfe.
König Beslan trat ein. Er hatte den größten Teil seines Schädels rasiert und oben nur einen dunklen Streifen stehen gelassen, außerdem waren sieben seiner Fingernägel lackiert. Ein Fingernagel mehr als bei jedem auf dieser Seite des Ozeans, mit Ausnahme von Fortuona selbst. Er trug noch immer die Kleidung der Altaraner – eine grün-weiße Uniform – statt das Gewand der Seanchaner. Sie hatte ihn deswegen nicht bedrängt.
Soweit ihr bekannt war, hatte Beslan seit ihrer Thronbesteigung keine Pläne geschmiedet, sie ermorden zu lassen. Bemerkenswert. Jeder Seanchaner hätte sofort mit derartigen Plänen angefangen. Einige hätten es mit Anschlägen versucht, andere hätten nur Pläne geschmiedet und sie gleichzeitig unterstützt. Aber alle hätten in Betracht gezogen, sie zu ermorden.
Auf dieser Seite des Ozeans dachten viele Menschen eben anders. Das hätte sie niemals geglaubt, hätte sie nicht so viel Zeit mit Matrim verbracht. Das war offensichtlich einer der Gründe gewesen, warum Fortuona ihn hatte begleiten müssen. Sie wünschte sich nur, sie hätte die Omen früher richtig gedeutet.
Zu Beslan gesellten sich Generalhauptmann Lunal Galgan und ein paar Angehörige des niederen Blutes. Galgan war ein breitschultriger Bursche mit einem weißen Haarbüschel auf dem Kopf. Die anderen Mitglieder des Blutes erwiesen ihm ihre Ehrerbietung; sie wussten, dass er in der Gunst der Kaiserin stand. Falls die Dinge hier gut verliefen und man Seanchan zurückerobern würde, war es durchaus vorstellbar, dass sie ihn in die Kaiserfamilie erhob. Die Ränge der Familie würden nach Fortuonas Rückkehr und der Wiederherstellung der Ordnung schließlich wieder aufgefüllt werden müssen. Zweifellos hatte man viele ermordet oder hingerichtet. Galgan war ein wertvoller Verbündeter. Er hatte nicht nur offen gegen Suroth gearbeitet, sondern auch den Angriff auf die Weiße Burg vorgeschlagen, der erfolgreich gewesen war. Sogar außerordentlich erfolgreich.
Melitene, Fortuonas Der’sul’dam , trat vor und verneigte sich erneut. Die stämmige Frau, deren Haar langsam grau wurde, führte eine Damane
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