Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
vernichten, ohne dass sie erkannten, was sie eigentlich damit anrichteten, wenn sie ihre Gefährten weiter nach vorn stießen.
Wieder riss Egwene die Erde auseinander. Unverfälschte Macht einzusetzen und Gewebe in ihren Grundformen zu schleudern hatte etwas Belebendes. In diesem Moment, in dem sie verstümmelte, vernichtete und dem Feind den Tod brachte, hatte sie das Gefühl, mit dem Land zu verschmelzen. Dass sie das Werk verrichtete, nach dem es sich so lange schon gesehnt hatte. Die Fäule und das Schattengezücht, das sie hervorbrachte, waren eine Krankheit. Auswurf. Erfüllt von der Einen Macht stand Egwene in Flammen, war ein loderndes Leuchtfeuer aus Tod und Richterspruch; sie war die Flamme, die die Wunde ausbrannte und dem Land Heilung bringen würde.
Die Trollocs bemühten sich mit aller Kraft, die Gewebe der Aes Sedai zu durchbrechen, aber damit kamen nur immer mehr von ihnen in Reichweite der Weißen Burg. Die Grünen wurden dem Ruf ihrer Ajah gerecht und schickten dem Feind ein Gewebe der Zerstörung nach dem anderen entgegen – aber die anderen Ajahs folgten ihrem Beispiel.
Der Boden erbebte, und die Luft war erfüllt mit den Todesschreien der Sterbenden. Körper zerrissen, Fleisch brannte. Nicht wenige Soldaten der Frontlinie mussten sich bei dem Anblick übergeben. Und noch immer schlugen die Aes Sedai auf die Reihen der Trollocs ein. Einzelne Schwestern suchten sich wie befohlen Myrddraal. Egwene traf selbst einen, riss ihm mit einem Gewebe aus Feuer und Luft den augenlosen Schädel vom Hals. Jeder getötete Blasse vernichtete die mit ihm verknüpften Fäuste Trollocs.
Egwene verdoppelte ihre Angriffe. Eine Reihe traf sie mit einer Welle explodierender Erde, dann schleuderte sie ein Gewebe Luft in die stürzenden Körper und schmetterte sie in die Reihen dahinter. Sie riss Löcher in den Boden und ließ die Steine in der Erde zerplatzen. Es kam ihr so vor, als schlachtete sie stundenlang Trollocs. Schließlich gab das Schattengezücht nach, und die Bestien wichen trotz der Peitschen der Myrddraal zurück. Egwene holte tief Luft – sie spürte die ersten Anzeichen von Schwäche – und tötete noch mehr Blasse. Schließlich hatten auch sie genug und flohen vor den Hügeln.
Egwene sackte auf ihrem Sattel zusammen und senkte ihr Sa’angreal . Sie vermochte nicht genau zu sagen, wie viel Zeit vergangen war. Die Soldaten in der Nähe starrten sie mit weit aufgerissenen Augen an. An diesem Tag war ihr Blut nicht erforderlich gewesen.
»Das war beeindruckend «, sagte Gawyn und ritt an ihre Seite. »Als würden sie eine Stadtmauer angreifen und versuchen Sturmleitern aufzustellen … nur eben ohne Mauern und Leitern.«
»Die kommen wieder«, sagte Egwene müde. »Wir haben nur einen Bruchteil von ihnen getötet.«
Morgen oder spätestens übermorgen würden sie es erneut versuchen. Vielleicht mit einer neuen Taktik – möglicherweise würden sie in getrennten Wellen angreifen, um es den Aes Sedai schwerer zu machen, ganze Horden auf einmal zu vernichten.
»Wir haben sie überrascht«, fuhr Egwene fort. »Beim nächsten Mal werden sie energischer anstürmen. Aber heute haben wir standgehalten.«
»Du hast nicht nur standgehalten«, sagte Gawyn mit einem Lächeln. »Du hast sie in die Flucht gejagt. Ich habe noch nie gesehen, wie eine Armee so gründlich Prügel bezogen hat.«
Der Rest des Heeres schien seine Meinung zu teilen, die Soldaten jubelten und schwenkten die Waffen. Egwene unterdrückte ihre Müdigkeit und steckte den Stab weg. In der Nähe senkten andere Aes Sedai kleine Statuen, Armbänder, Broschen, Ringe und Stäbe. Sie hatten jedes verfügbare Angreal und Sa’angreal aus den Lagerräumen der Weißen Burg geholt – so wenig das auch sein mochten – und sie unter den Schwestern an der Front verteilt. Am Ende eines jeden Tages würde man sie einsammeln und an die Schwestern weiterreichen, die fürs Heilen zuständig waren.
Die Aes Sedai drehten um und ritten durch das jubelnde Heer zurück. Leider würde bald die Zeit der Trauer kommen. Die Schwestern konnten nicht jede Schlacht gewinnen. Aber im Augenblick war Egwene zufrieden damit, die Soldaten ihren Sieg genießen zu lassen, denn es war ein Sieg der besten Art. Die Art, die keine Lücken in ihren Reihen zurückließ.
»Der Lord Drache und seine Truppen haben damit angefangen, Shayol Ghul zu erkunden.« Bashere zeigte auf eine der Karten. »Unser Widerstand in Kandor und Shienar zwingt den Schatten, immer mehr
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