Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
würden ohne Anführer in die Schlacht reiten.«
»Die Domani? Ich meinte das da!«
Sie folgte seinem Blick. Eine neue Streitmacht näherte sich mit offensichtlicher Eile unter dem Banner des Roten Stiers. »Murandy«, sagte Egwene. »Merkwürdig. Roedran hat sich endlich entschlossen, sich dem Rest der Welt anzuschließen.«
Die gerade eingetroffenen Murandianer boten ein größeres Schauspiel, als sie vermutlich verdienten. Immerhin waren sie hübsch ausstaffiert: gelbe und rote Tuniken über Kettenhemden; Messinghelme mit breitem Schirm. Die roten Gürtel trugen das Symbol des angreifenden Stiers. Sie hielten Distanz zu den Andoranern, zogen hinter den Aiel-Truppen vorbei und kamen dann von Nordwesten.
Egwene warf einen Blick auf Rands Lager. Noch immer kein Zeichen des Wiedergeborenen Drachen.
»Kommt«, sagte sie und trieb Sieber in Richtung der Murandianer. Gawyn setzte sich an ihre Seite, und Chubain winkte eine Gruppe aus zwanzig Soldaten als Leibwache herbei.
Roedran war ein korpulenter Mann in Rot und Gold; Egwene vermeinte zu hören, wie das Pferd des Mannes bei jedem Schritt ächzte. Sein dünner werdendes Haar war mehr weiß als schwarz, und er musterte sie mit einem unerwartet scharfen Blick. Der König von Murandy war kaum mehr als der Herrscher der Stadt Lugard, aber Berichten zufolge war der Mann nicht schlecht darin, sein Herrschaftsgebiet zu vergrößern. Noch ein paar Jahre, und er würde tatsächlich ein richtiges Königreich besitzen.
Roedran hielt eine dicke Hand hoch und stoppte die Prozession. Egwene zügelte ihr Pferd und wartete darauf, dass er zu ihr kam, wie es der Brauch verlangte. Er tat es nicht.
Gawyn murmelte einen Fluch. Egwene musste ein Lächeln unterdrücken. Behüter konnten nützlich sein, wenn auch nur, um das auszudrücken, was sie nicht konnte. Schließlich trieb sie ihr Pferd wieder an.
»Also.« Roedran musterte sie von Kopf bis Fuß. »Ihr seid die neue Amyrlin. Eine Andoranerin.«
»Die Amyrlin hat keine Nationalität«, erwiderte Egwene kühl. »Es ist interessant, Euch hier zu sehen, Roedran. Wann hat Euch der Drache eingeladen?«
»Das hat er nicht.« Roedran winkte einen Mundschenk herbei, der ihm Wein brachte. »Ich fand es höchste Zeit, dass Murandy nicht länger von den Ereignissen ausgeschlossen wird.«
»Und durch wessen Wegetore seid Ihr eingetroffen? Sicherlich habt Ihr nicht Andor durchquert, um herzukommen.«
Roedran zögerte.
»Ihr kamt aus dem Süden«, fuhr Egwene fort und musterte ihn. »Andor. Elayne schickte nach Euch?«
»Sie schickte keineswegs nach mir«, fauchte Roedran. »Die verdammte Königin versprach mir die Proklamation einer Absichtserklärung, dass sie nicht in Murandy einmarschiert, wenn ich ihre Sache unterstütze.« Er zögerte. »Außerdem war ich neugierig, diesen falschen Drachen einmal zu sehen. Anscheinend hat jedermann auf der Welt den Verstand verloren, wenn es um ihn geht.«
»Ihr wisst, worum es bei dieser Zusammenkunft geht, oder?«
Er winkte ab. »Diesen Mann von seiner Eroberungslust abzubringen oder so etwas in der Art.«
»So ähnlich.« Egwene beugte sich vor. »Wie ich höre, festigt Ihr Eure Herrschaft nach Kräften, und dass Lugard tatsächlich ausnahmsweise einmal echte Autorität in Murandy hat.«
»Ja«, sagte Roedran und schien ein Stück zu wachsen. »Das ist wahr.«
Egwene beugte sich noch weiter vor. »Gern geschehen«, sagte sie leise und lächelte dann. Sie zog Sieber herum und führte ihr Gefolge fort.
»Egwene«, sagte Gawyn leise, der sein Pferd an ihre Seite lenkte, »hast du das wirklich gerade getan?«
»Sieht er beunruhigt aus?«
Gawyn schaute zurück. »Sehr sogar.«
»Ausgezeichnet.«
Gawyn ritt einen Moment weiter, dann grinste er breit. »Das war wirklich böse.«
»Er ist genauso grob und ungehobelt, wie es die Berichte behaupten«, sagte Egwene. »Er kann ein paar schlaflose Nächte verbringen und darüber grübeln, wie die Weiße Burg in seinem Reich ein paar Fäden ziehen konnte. Sollte ich mich besonders nachtragend fühlen, erfinde ich ein paar schöne Geheimnisse, die er dann ausgraben kann. Und wo steckt jetzt der Schafhirte? Er hat die Unverschämtheit zu verlangen, dass wir hier antanzen und dann …«
Sie verstummte, als sie ihn kommen sah. Rand schritt in Rot und Gold über das verwelkende Gras. Neben ihm schwebte ein gewaltiges Bündel in der Luft, das von für sie unsichtbaren Geweben gehalten wurde.
Wo er hintrat, wurde das Gras wieder grün.
Die
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