Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Wächterinnen das Zelt umstanden, selbst hier in einem Lager von sechs Clans, die alle dem Car’a’carn Treue geschworen hatten. Die Miagoma befanden sich irgendwo im Norden und marschierten parallel zu ihnen. Timolan sagte noch nicht, was er beabsichtigte. Rand schien es gleich zu sein, wo sich die übrigen Clans aufhielten. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Wettlauf zum Jangai-Pass.
»Ist er wach, Enaila?«, fragte sie.
Mondschatten schoben sich über das Gesicht der Tochter, als sie nickte. »Er schläft nicht genug. Auch ein Mann kann doch nicht ohne Schlaf auskommen.« Ausgerechnet sie klang wie eine Mutter, die sich Sorgen um den Sohn macht.
Ein Schatten neben dem Zelt rührte sich und wurde zu Aviendha. Sie hatte sich das Schultertuch umgewickelt. Die Kälte schien ihr nichts auszumachen, wohl aber die späte Stunde. »Ich würde ihm ein Schlaflied singen, wenn ich glauben könnte, dass es wirkte. Ich habe davon gehört, dass Frauen eines Kindes wegen die ganze Nacht durchwachen müssen, aber ein erwachsener Mann sollte eigentlich wissen, dass andere lieber schlafen möchten.« Sie und Enaila lachten leise.
Egwene schüttelte den Kopf über das seltsame Aiel-Gebaren und bückte sich, um durch den Spalt zu spähen. Mehrere Lampen beleuchteten das Innere. Er war nicht allein. Nataels dunkle Augen wirkten abgespannt, und er unterdrückte ein Gähnen. Er zumindest sehnte sich nach Schlaf. Rand lag ausgestreckt neben einem der vergoldeten Lampenständer und las in einem zerfleddert wirkenden ledergebundenen Buch. Die eine oder andere Übersetzung der Prophezeiungen des Drachen, falls sie ihn noch gut genug kannte. Mit einem Mal blätterte er zurück, las und lachte lauthals. Sie versuchte, sich einzureden, dass an diesem Lachen nichts Wahnsinniges festzustellen sei, höchstens Bitterkeit. »Ein schöner Witz«, sagte er zu Natael, klappte das Buch zu und warf es dem Gaukler hinüber. »Lest einmal Seite zweihundertsiebenundachtzig und dann Seite vierhundert und sagt mir, ob Ihr der gleichen Meinung seid.«
Egwene verzog den Mund, als er sich aufrichtete. Er sollte wirklich etwas schonender mit einem Buch umgehen. Sie konnte jetzt nicht mit ihm sprechen; nicht vor dem Gaukler. Es war eine Schande, dass er einen Mann brauchte, den er kaum kannte, um ihm Gesellschaft zu leisten. Nein. Er hatte doch Aviendha und oft genug die Häuptlinge, und jeden Tag Lan und manchmal auch Mat. »Warum gehst du nicht zu ihnen hinein, Aviendha? Wenn du drinnen wärst, würde er vielleicht auch einmal über etwas anderes reden als über dieses Buch.«
»Er wollte aber mit dem Gaukler reden, Egwene, und das tut er nur selten vor mir oder anderen. Wenn ich nicht gegangen wäre, dann hätte er mit Natael das Zelt verlassen.«
»Kinder machen einem große Sorgen, habe ich gehört«, lachte Enaila. »Und Söhne sind am schlimmsten. Du findest möglicherweise die Wahrheit dessen auch für mich mit heraus, ja, nachdem du nun den Speer aufgegeben hast.« Auf Aviendhas mondbeleuchteter Stirn zeigte sich ein kritisches Runzeln, und sie stolzierte wie eine beleidigte Katze zurück an ihren Platz an der Seite des Zelts. Enaila hielt das wohl auch wieder für lustig. Sie hielt sich vor Lachen die Seiten.
Egwene knurrte etwas vom typischen Humor der Aiel in sich hinein, den sie sowieso nicht verstand, und machte sich zu Moiraines Zelt auf, das unweit von dem Rands aufgeschlagen worden war. Auch hier entdeckte sie einen schmalen Lichtstreifen an der Öffnung und wusste, dass die Aes Sedai noch wach war. Moiraine benutzte gerade die Macht, wohl nur in winzigen Mengen, doch es reichte, um für Egwene spürbar zu sein. Lan lag schlafend neben dem Zelt. Er war in seinen Behüterumhang gehüllt, und abgesehen von seinem Kopf und den Stiefeln verschmolz sein Körper mit der Nacht, war ein Teil von ihr. Sie raffte ihren Umhang enger zusammen, hob den Rock und ging auf Zehenspitzen vorbei, um ihn nicht zu wecken.
Seine Atmung änderte den Rhythmus nicht, aber irgendetwas ließ sie noch einmal auf ihn herabblicken. Der Mondschein glitzerte in seinen geöffneten Augen, mit denen er sie beobachtete. Als sie sich wieder abwandte, bemerkte sie noch, wie sich seine Augen wieder schlossen. Kein Muskel regte sich ansonsten bei ihm, als sei er überhaupt nicht aufgewacht. Manchmal machte der Mann sie einfach nervös. Was Nynaeve in ihm sah, konnte sie nicht nachvollziehen.
Sie kniete sich neben den Zelteingang und spähte hinein. Moiraine saß da, von
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