Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
geschildert hatte. Doch nicht die Strafe war es, vor der sie sich fürchtete, jedenfalls nicht die Art von Bestrafung, wie sie gewöhnlich durch Bair ausgesprochen wurde. Das hätte sie gern akzeptiert, wenn sie erwachen und eine der Weisen Frauen vorfinden würde, aber Amys hatte ihr gleich zu Beginn gesagt, falls sie ohne eine von ihnen als Begleitschutz Tel’aran’rhiod beträte, würde man sie wegschicken. Sie würden sich weigern, sie noch weiter zu unterrichten. Davor zitterte sie viel mehr als vor allen möglichen Strafen. Trotzdem musste sie vorwärtskommen. So schnell die Weisen Frauen sie auch unterwiesen – es war nicht schnell genug. Sie wollte auf der Stelle alles wissen, alles.
Sie griff nach der Macht, entzündete ihre Lampe und ließ Flammen aus der Feuergrube hervorzüngeln. Es war wohl kein Brennstoff mehr vorhanden, aber sie verknotete das Gewebe und ließ es weiterbrennen. Dann lag sie da, beobachtete ihren Nebelatem und wartete darauf, dass es warm genug wurde, um sich anzuziehen. Es war wohl spät, aber vielleicht war Moiraine trotzdem noch wach.
Was mit Nynaeve geschehen war, verblüffte sie immer noch. Ich glaube, sie hätte das Zeug wirklich getrunken, wenn ich sie gezwungen hätte. Sie hatte solche Angst ausgestanden, Nynaeve könne herausbekommen, dass sie keineswegs die Erlaubnis der Weisen Frauen hatte, allein die Welt der Träume zu durchforschen. Sie war sicher gewesen, ihr Erröten habe sie verraten, und deshalb hatte sie Nynaeve einfach vom Sprechen abhalten müssen, damit sie keine peinlichen Fragen stellte und vielleicht die Wahrheit herausfand. Weil sie sich so lebhaft vorgestellt hatte, wie Nynaeve trotz allem die Wahrheit erfuhr – und die Frau war imstande, sie zu verraten und dann noch zu behaupten, es sei zu ihrem eigenen Besten –, hatte sie immer weiter geredet und nicht lockergelassen, über Nynaeves eigene Fehler zu sprechen, sie in die Enge zu treiben. Ganz gleich, wie sie sich auch über Nynaeve aufregte: sie hatte es nicht fertiggebracht, sie auch nur einmal anzuschreien. Und mit dieser Taktik hatte sie tatsächlich die Oberhand gewonnen!
Wenn sie es recht bedachte, dann erhob Moiraine nur selten ihre Stimme, und wenn sie es tat, war es nicht so wirkungsvoll, und sie erreichte meist nicht, was sie eigentlich wollte. Das war schon so gewesen, bevor sie sich Rand gegenüber so eigenartig zu benehmen begann. Die Weisen Frauen schrien auch niemals jemanden an – höchstens gelegentlich sich gegenseitig –, und trotz all ihrer Beschwerden, dass die Häuptlinge nicht mehr auf sie hörten, schienen sie doch zumeist zu bekommen, was sie wollten. Es gab da ein altes Sprichwort, das sie früher nie richtig verstanden hatte: ›Er bemüht sich, ein Flüstern zu hören, obwohl er sich weigert, einen Schrei wahrzunehmen.‹ Sie würde Rand nicht mehr anschreien. Eine ruhige, feste, frauliche Stimme, das war das Richtige. Und was das betraf, würde sie auch Nynaeve künftig nicht mehr anschreien, denn sie war eine Frau und kein kleines Mädchen mehr, das noch Trotzanfälle bekam.
Sie ertappte sich beim Kichern. Gerade bei Nynaeve sollte sie die Stimme nicht mehr erheben, wenn doch die ruhige Art solche Resultate hervorbrachte.
Das Zelt erschien ihr endlich warm genug, und so kroch sie unter den Decken hervor, um sich anzukleiden. Nachdem sie sich mit fast zu Eis gefrorenem Wasser den Schlaf aus dem Gesicht gewaschen hatte, legte sie sich den dunklen Wollumhang um und löste die Stränge aus Feuer, denn Feuer war zu gefährlich, wenn man es unbeaufsichtigt gebunden zurückließ. Als die Flammen verschwanden, duckte sie sich und trat aus dem Zelt. Die Kälte umschloss sie wie eine eisige Hand, während sie durch das Lager eilte.
Nur die nächstgelegenen Zelte waren zu sehen. Die schattenhaften Umrisse hätten auch ein Teil der hügeligen Landschaft sein können, doch das Lager erstreckte sich meilenweit nach allen Seiten in das Bergland hinein. Die hohen, zerklüfteten Gipfel waren jedoch noch nicht das Rückgrat der Welt; das war viel höher und lag noch Tage weit entfernt im Westen.
Zögernd näherte sie sich Rands Zelt. Die Klappe stand ein klein wenig offen, und Licht fiel heraus. Als sie näher kam, schien eine Tochter des Speers aus dem Boden hervorzuwachsen. Auf ihrem Rücken hing ein Hornbogen, der Köcher an der Hüfte, und in den Händen hielt sie Schild und Speere. Egwene konnte keine weiteren mehr in der Dunkelheit ausmachen, aber sie wusste, dass noch mehr
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