Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
zum Selbstmord werden. Er konnte sich auch keinen Seitenblick zur Schlacht hin leisten, die überall in seiner Umgebung in der dunklen Nacht tobte.
Die Klinge des Myrddraals zuckte wie die Zunge einer Schlange, schoss wie ein schwarzer Blitz vor, aber nicht um anzugreifen, sondern um Mats Angriff zu parieren. Wenn der mit Raben gekennzeichnete und durch die Macht geschmiedete Stahl auf das Metall aus Thakan’dar traf, blitzte es blau auf und knisterte wie bei einem Flächenblitz.
Plötzlich traf Mats Speerhieb auf Haut. Das schwarze Schwert flog mitsamt einer blassen Hand weg. Die darauf folgende Rückhandbewegung schlitzte dem Myrddraal die Kehle auf, doch Mat hielt nicht inne. Ein Stoß durch das Herz, dann erst die eine Ferse und dann die andere durchschneiden, alles blitzschnell. Erst dann trat er von diesem Ding zurück, das auf dem Boden noch zuckte und mit der übriggebliebenen Hand und dem Stumpf der anderen um sich schlug. Aus den Wunden floss tintengleich dunkles Blut. Die Halbmenschen brauchten gewöhnlich sehr lange, bis sie eingestanden, tot zu sein, und sie starben meist erst endgültig nach Sonnenuntergang.
Mat sah sich um, und da wurde ihm bewusst, dass der Angriff vorüber war. Diejenigen Schattenfreunde und Trollocs, die noch am Leben waren, mussten inzwischen geflohen sein. Jedenfalls sah er niemanden außer den Aiel, der noch auf den Beinen gewesen wäre. Einige von ihnen lagen aber ebenfalls am Boden. Er zog ein Tuch vom Hals eines toten Schattenfreundes, um das schwarze Blut des Myrddraal von seiner Speerspitze zu wischen. Wenn er es zu lange dort beließ, würde es das Metall verätzen.
Dieser nächtliche Angriff ergab keinen Sinn. Den Leichen nach zu schließen, die er im Mondschein liegen sah, ob menschlich oder ob von Trollocs, hatte es kaum einer bis hinter die erste Reihe der Zelte geschafft. Ohne zahlenmäßig viel stärker zu sein, konnten sie wohl kaum gehofft haben, mehr zu erreichen.
»Was hast du da gerufen? Carai irgendwas? In der Alten Sprache?«
Er drehte sich um und blickte Melindhra an. Sie hatte den Schleier abgenommen und trug noch immer nicht mehr am Leib als ihre Shoufa . Auch andere Töchter und Männer in der näheren Umgebung liefen mehr oder weniger nackt herum und gaben sich genauso selbstverständlich. Die meisten aber schienen nun auf direktem Weg und ohne langes Zögern zu ihren Zelten zurückzukehren. Sie kannten einfach keine Scham; daran lag es. Kein bisschen Schamgefühl. Sie schien noch nicht einmal die Kälte zu spüren, obwohl der Atem wie Nebel vor ihrem Mund stand. Er war genauso verschwitzt wie sie, und nun fror er gewaltig, da seine Gedanken nicht mehr dadurch abgelenkt wurden, dass er um sein Leben kämpfen musste.
»Das habe ich mal gehört«, sagte er zu ihr. »Der Klang hat mir gefallen.« Carai an Caldazar! ›Zur Ehre des Roten Adlers.‹ Der Schlachtruf von Manetheren. Die meisten seiner Erinnerungen stammten aus Manetheren. Ein paar davon hatte er bereits gekannt, bevor er diesen verdrehten Türrahmen durchschritten hatte. Moiraine behauptete, das Alte Blut spräche aus ihm. Nun, solange es nicht aus seinen Adern drang …
Sie legte ihm einen Arm um die Schultern, als er zum Zelt zurückging. »Ich habe dich mit dem Nachtläufer zusammen gesehen, Mat Cauthon.« Das war eine der Aielbezeichnungen für die Myrddraal. »Du bist so groß, wie es einem Mann geziemt.«
Grinsend legte er einen Arm um ihre Taille, doch er konnte den Angriff nicht vergessen. Er wollte schon, da seine Gedanken viel zu sehr in den geborgten Erinnerungen verstrickt waren, aber er konnte nicht. Wieso hatte jemand einen solch hoffnungslosen Angriff gestartet? Niemand außer einem Narren griff ohne Grund eine so offensichtliche Übermacht an. Diesen Gedanken wurde er einfach nicht los. Niemand griff grundlos an.
Das Vogelgezwitscher riss Rand augenblicklich aus dem Schlaf, und noch als er die Decken zur Seite schlug und ohne Mantel in Strümpfen hinauslief, griff er nach Saidin . Die Nacht war kalt, und der Mond schien hell. Schwacher Kampfeslärm drang von den Hügeln unterhalb des Passes an seine Ohren. Rund um ihn liefen die Aiel wie in einem aufgescheuchten Ameisenhaufen durcheinander und eilten dann in die Nacht hinaus, dorthin, wo hier auf dem Pass ein Angriff erfolgen konnte. Das Wachgewebe würde wieder Alarm geben – diesmal würde ein Blaufink rufen, falls auf dem Pass Schattenwesen auftauchten –, bis er es morgens wieder auflöste, aber es gab keinen
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