Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Grund, irgendein törichtes Risiko einzugehen.
Bald war es auf dem Pass wieder ruhig. Die Gai’shain befanden sich in den Zelten, denn selbst jetzt war ihnen das Führen von Waffen verboten, und die anderen Aiel lauerten an den Orten, die möglicherweise verteidigt werden mussten. Sogar Adelin und die übrigen Töchter waren weg, als wüssten sie, dass er sie zurückgehalten hätte, falls sie warteten. Er konnte leise Unterhaltungen von den Wagen nahe der Stadtmauer her vernehmen, aber weder die Fahrer noch Kadere zeigten sich. Er erwartete das auch nicht. Der leise Kampfeslärm – Rufe, Todesschreie – kam von zwei Seiten her. Es spielte sich auf jeden Fall weiter unten und ein gutes Stück entfernt ab. Auch vor den Zelten der Weisen Frauen herrschte Durcheinander. Wie es schien, blickten auch diese Aiel in Richtung der Kämpfe.
Ein Angriff dort unten ergab keinen Sinn. Es waren auch nicht die Miagoma, es sei denn, Timolan hätte Schattenwesen in seinen Clan aufgenommen, und das war in etwa so wahrscheinlich wie Trollocs als neue Rekruten der Weißmäntel. Er wandte sich zu seinem Zelt zurück, und trotz der schützenden Hülle des Nichts zuckte er zusammen.
Aviendha war heraus in den Mondschein getreten und hatte sich lediglich eine Decke um den Körper gewickelt. Und ihr gegenüber stand ein hochgewachsener Mann, der ganz in einen dunklen Umhang gehüllt war. Schatten trieben über ein viel zu blasses, hageres Gesicht. Die Augen waren viel zu groß. Ein süßer Gesang erklang, und der Umhang öffnete sich zu breiten, ledrigen Schwingen wie denen einer Fledermaus. Aviendha bewegte sich wie in Trance und glitt langsam auf die lockende Umarmung zu.
Rand lenkte die Macht, und ein fingerdünner Strahl von Baalsfeuer, ein Pfeil aus flüssigem Licht, stach an ihr vorbei und traf den Draghkar am Kopf. Die Wirkung dieses dünnen Strahls erfolgte langsamer, aber nicht weniger wirkungsvoll als bei den Schattenhunden. Das Geschöpf veränderte seine Farbe, von Schwarz zu Weiß, von Weiß wieder zu Schwarz, und dann löste es sich in schimmernde Lichtflecken auf, die im Mondschein tanzten und vergingen.
Aviendha schüttelte sich, als der Gesang erstarb, und starrte die letzten Lichtpunkte an, bis sie verschwunden waren. Dann wandte sie sich Rand zu und raffte die Decke enger um sich zusammen. Ihre Hand hob sich und ein Feuerstrahl, so dick wie sein Kopf, fauchte auf ihn zu.
Selbst in die Leere des Nichts gehüllt, überraschte ihn das. Er dachte gar nicht daran, die Macht zu verwenden, sondern warf sich unter den sich aufblähenden Flammen hindurch zu Boden. Sie erstarben einen Augenblick später.
»Was macht Ihr denn da?«, schrie er so zornig, so erschrocken, dass das Nichts zersprang und Saidin ihn verließ. Er rappelte sich hoch und ging mit steifen Beinen auf sie zu. »Das ist doch die Höhe an Undankbarkeit!« Er wollte sie schütteln, dass ihre Zähne klapperten. »Ich habe gerade eben Euer Leben gerettet, falls Ihr es nicht bemerkt haben solltet, und falls ich dabei irgendeine verdammte Aielregel überschritten habe, dann ist mir das …!«
»Beim nächsten Mal«, fauchte sie zurück, »werde ich es dem großen Car’a’carn selbst überlassen, mit allem fertig zu werden!« Ungeschickt packte sie die Decke noch fester und duckte sich vor Zorn steif ins Zelt hinein.
Zum ersten Mal blickte er sich um. Und entdeckte einen weiteren Draghkar, der zusammengekrümmt am Boden verschmorte. Er war so zornig gewesen, dass er weder gehört hatte, wie dieses Wesen in Flammen aufging, noch den ekligen Brandgeruch wahrgenommen hatte. Nicht einmal das abgrundtief Böse hatte er hinter sich gefühlt. Ein Draghkar tötete, indem er seinem Opfer zuerst die Seele aussog und dann das Leben. Er musste ganz nahe sein, damit es zu einer Berührung kam, aber dieser hier lag tatsächlich nicht mehr als zwei Schritt von seinem ursprünglichen Standort entfernt. Er wusste nicht, ob das Singen und die Umarmung eines Draghkar die gleiche Wirkung auf jemanden hatte, der mit Saidin erfüllt war, doch er war froh, das nicht herausfinden zu müssen.
Er holte tief Luft und kniete sich neben die Zeltklappe. »Aviendha?« Er konnte nicht hineingehen. Drinnen brannte eine Lampe, und es konnte ja sein, dass sie nackt dort saß und ihn im Geist zerriss, wie er es verdient hatte. »Aviendha, es tut mir leid. Ich entschuldige mich. Ich war ein Narr, solche Worte zu gebrauchen, ohne nach dem Grund zu fragen. Ich sollte wissen, dass Ihr mir nichts
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