Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
ihm Gerechtigkeit nicht helfen, wenn sich dadurch außer den Shaido noch andere gegen ihn stellten.
Sorilea blickte sie überrascht an und warf dann den um Rands Pferd versammelten Häuptlingen einen Blick zu, der die ganze Gruppe eigentlich hätte zu Boden werfen müssen. »Ihr missversteht mich. Er muss diesem Pack räudiger Wölfe beweisen, dass er der Leitwolf ist. Ein Häuptling muss härter als andere Männer sein, junge Aes Sedai, und der Car’a’carn härter als die anderen Häuptlinge. Jeden Tag werden einige weitere Männer und sogar Töchter von Trostlosigkeit überwältigt, doch sie stellen nur die weiche äußere Rinde des Eisenholzbaums dar. Was bleibt, ist das harte Innere, und er muss hart sein, um sie zu führen.« Egwene wurde bewusst, dass sie sich selbst und die anderen Weisen Frauen nicht unter denen erwähnt hatte, die geführt werden mussten. Sorilea knurrte noch etwas von ›räudigen Wölfen‹ und hatte bald das Ohr aller Weisen Frauen gewonnen, die ihr beim Weitergehen lauschten. Was sie auch sagte, es war leider nicht bis zu ihr herüber hörbar.
»Wer ist dieser Feran?«, fragte Egwene. »Ich habe dich nie von ihm erzählen hören. Wie sieht er aus?«
Aviendha blickte Sorilea, die nun zwischen den um sie herum versammelten Frauen beinahe verdeckt war, noch immer finster nach und antwortete geistesabwesend: »Er sieht ähnlich wie Rhuarc aus, nur ist er jünger, größer und hat viel rotere Haare. Eigentlich sieht er noch besser aus als Rhuarc. Mehr als ein Jahr lang hat er versucht, Enailas Interesse zu gewinnen, aber ich glaube, eher wird sie ihm das Singen beibringen, als dass sie den Speer aufgibt.«
»Das verstehe ich nicht. Hast du vor, ihn dir mit Enaila zu teilen?« Es war immer noch ein eigenartiges Gefühl, so nüchtern über diese Dinge zu sprechen.
Aviendha stolperte schon wieder und starrte sie dann an. »Ihn teilen? Ich will keinen Anteil an ihm. Sein Gesicht ist schön, aber er lacht wie ein blökendes Maultier, und er bohrt immer in seinen Ohren.«
»Aber so wie du mit Sorilea gesprochen hast, dachte ich … du hättest Gefallen an ihm gefunden. Warum hast du ihr nicht gesagt, was du mir gerade anvertraut hast?«
Das Lachen der anderen klang ein wenig gequält. »Egwene, wenn sie glaubte, ich wolle mich in dieser Angelegenheit drücken, dann würde sie den Brautkranz persönlich flechten und Feran und mich am Kragen zur Hochzeit schleifen. Hast du je erlebt, dass jemand zu Sorilea nein sagte? Brächtest du das fertig?«
Egwene öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass sie das selbstverständlich fertigbringe, doch dann schloss sie ihn schnell wieder. Nynaeve so zu beeindrucken, dass sie einen Schritt zurücktrat, war ja gut und schön. Aber dasselbe bei Sorilea tun …? Das wäre dasselbe, als stünde sie genau auf der Spur eines Erdrutsches und wolle ihm befehlen, anzuhalten, bevor er sie erreichte.
Um das Thema zu wechseln, sagte sie: »Ich werde mit Amys und den anderen sprechen und sehen, ob sie in deinem Fall einsichtig sind.« Sie glaubte allerdings nicht, dass es etwas helfen werde. Der richtige Zeitpunkt wäre gewesen, bevor sie überhaupt damit begonnen hatten. Wenigstens sah Aviendha nun ein, wie unschicklich das Ganze wirklich war. Vielleicht … »Wenn wir zusammen zu ihnen gehen, werden sie bestimmt auf uns hören.«
»Nein, Egwene. Ich muss den Weisen Frauen gehorchen. Ji’e’toh verlangt das von mir.« Gerade so, als habe sie nicht einen Moment vorher noch deswegen gejammert. Als habe sie nicht beinahe auf den Knien die Weisen Frauen angefleht, sie nicht in Rands Zelt schlafen zu lassen. »Aber warum entspricht die Pflicht meinem Volk gegenüber niemals meinen eigenen Wünschen? Warum muss es etwas sein, das ich auf keinen Fall tun möchte?«
»Aviendha, niemand wird dich zwingen, zu heiraten oder Kinder zu bekommen. Nicht einmal Sorilea.« Egwene war sich bewusst, dass letzteres ein wenig lahm geklungen hatte und nicht sehr überzeugend.
»Das verstehst du nicht«, sagte die andere leise, »und ich kann es dir nicht erklären.« Sie raffte das Schultertuch und verlor kein Wort mehr darüber. Sie war bereit, über ihren Unterricht zu sprechen oder über die Frage, ob Couladin umkehren und sich der Schlacht stellen werde, oder wie die Heirat Melaine verändert hatte – die musste sich mittlerweile schon fast dazu zwingen, so mürrisch wie sonst zu erscheinen – alles andere eben außer jenem, was sie nicht erklären konnte oder
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