Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
tatsächlich Schuppen habe. Und verglichen mit Beonin, einer hübschen Grauen mit Haar wie dunkler Honig und so großen blaugrauen Augen, dass sie ständig leicht überrascht wirkte, verglichen mit Beonin also schien Morvrin noch leicht zu beeinflussen.
»Elaida regiert die Burg mit eiserner Faust, und Ihr wisst, dass sie Rand al’Thor gegenüber Fehler begehen wird«, sagte Siuan beinahe verächtlich. »Wir brauchen schon eine Menge Glück, damit sie nicht in Panik ausbricht und ihn noch vor Tarmon Gai’don einer Dämpfung unterzieht. Ihr wisst, wenn Ihr schon einen Mann fürchtet, der mit der Macht umgehen kann, dann tun das die Roten zehnmal. Die Weiße Burg ist auf dem Tiefpunkt ihrer Macht, und das gerade zu der Zeit, da sie auf dem Höhepunkt stehen sollte, und in der Hand einer Närrin, wenn geschickte Führung notwendig wäre.« Sie kräuselte die Nase und blickte einer nach der anderen in die Augen. »Und Ihr sitzt hier und treibt mit gerefften Segeln dahin. Oder könnt Ihr mich davon überzeugen, dass Ihr mehr tut, als Däumchen zu drehen und Seifenblasen nachzublicken?«
»Seid Ihr der gleichen Meinung wie Siuan, Leane?«, fragte Anaiya friedlich. Siuan war nie in der Lage gewesen, zu begreifen, warum Moiraine diese Frau so gut leiden konnte. Wenn man versuchte, sie zu etwas zu bringen, was sie nicht tun wollte, war das, als schlage man auf einen Sack voll Federn ein. Sie hielt nicht dagegen oder stritt gar, nein, sie weigerte sich einfach nur schweigend, irgendetwas zu unternehmen. Sogar sitzend und mit gefalteten Händen wirkte sie eher wie eine Frau, die gleich Teig durchkneten will, als eine Aes Sedai.
»Zum Teil ja«, antwortete Leane. Siuan warf ihr einen scharfen Blick zu, den sie aber nicht beachtete. »Was Elaida betrifft, sicher. Elaida wird Rand al’Thor missbrauchen, so sicher wie sie die Burg missbraucht. Was den Rest betrifft, so weiß ich, dass Ihr hart daran gearbeitet habt, so viele Schwestern hier zusammenzuholen, und ich denke, Ihr arbeitet genauso hart daran, etwas gegen Elaida zu unternehmen.«
Siuan schnaubte laut. Auf dem Weg durch den Schankraum hatte sie ein paar Blicke auf einige dieser Dokumente werfen können, die hier so sorgfältig studiert wurden. Es waren Listen von Proviant, über die Zuteilung von Bauholz für Reparaturen, die Einteilung zum Holzfällen, zur Hausreparatur und zum Säubern der Quellen. Sonst nichts. Nichts, was auch im Mindesten wie ein Bericht über die Aktivitäten Elaidas aussah. Sie planten, hier zu überwintern. Es musste nur eine Blaue in Gefangenschaft geraten, die von Salidar erfahren hatte, nur eine Frau, die man dazu befragte, und wenn Alviarin diese Befragung durchführte, würde sie nicht viel zurückhalten, und Elaida wüsste ganz genau, wo sie sie ins Netz bekommen konnte. Währenddessen machten sie sich Gedanken darüber, wie man Gemüsegärten anlegt und ob sie genug Feuerholz zusammenbekämen, bevor der erste Frost kam.
»Dann ist das ja wohl erledigt«, sagte Carlinya kühl. »Ihr scheint nicht zu verstehen, dass Ihr nicht mehr Amyrlin und Bewahrerin seid. Ihr seid noch nicht einmal mehr Aes Sedai.« Einige hatten die Güte, verlegen dreinzublicken. Nicht so Morvrin oder Beonin, aber wohl die anderen. Keine Aes Sedai sprach gern über die Dämpfung, noch ließ sie sich gern daran erinnern. Sie mussten das als besonders hart empfunden haben, da es ausgerechnet angesichts dieser beiden gesagt worden war. »Ich sage das nicht, um grausam zu erscheinen. Wir glauben die Anklagen gegen Euch nicht, trotz Eures Reisegenossen, sonst wären wir nicht hier. Aber Ihr könnt auch nicht Eure alten Positionen unter uns wieder einnehmen. Das ist eine unumstößliche Tatsache.«
Siuan konnte sich noch gut an Carlinya als Novizin und Aufgenommene erinnern. Einmal im Monat hatte sie damals etwas angestellt, nichts Bedeutendes, eine Kleinigkeit, die ihr ein oder zwei Stunden Extraarbeit eingebracht hatten. Genau einmal im Monat. Sie hatte sich vor den anderen nicht wie eine Streberin anstellen wollen. Das waren ihre einzigen Verstöße gegen die Regeln gewesen. Ansonsten übertrat sie nie ein Verbot und machte keinen einzigen falschen Schritt, denn das wäre ja unlogisch gewesen. Deshalb hatte sie auch nie verstanden, warum die anderen sie trotzdem für den Liebling der Lehrerin gehalten hatten. Eine ganze Menge Logik, aber kein gesunder Menschenverstand: das war Carlinya.
»Während das, was man Euch antat, genau den Buchstaben des Gesetzes
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