Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
beschlossen hatte, ihn zu benutzen. Die Nachricht stammte jedenfalls nicht von Lanfear, denn die wäre ihm stattdessen einfach wieder im Traum erschienen.
Trotz der Hitze schauderte er, musste sich aber gleichzeitig wieder den Schweiß vom Gesicht wischen. Lanfear war eine durchaus eifersüchtige Herrin, aber was, wenn ein anderer der Auserwählten ihn zum Diener haben wollte? Er hätte wohl keine andere Wahl. Obwohl man ihm als Junge bei seiner Vereidigung eine Menge Versprechungen gemacht hatte, gab er sich keinen Illusionen hin. In einem Konflikt zwischen zwei der Auserwählten würde er plattgewalzt wie ein Kätzchen unter einem Wagenrad, und sie würden es so wenig bemerken wie das Rad sein Opfer. Er wäre so gern zu Hause in Saldaea gewesen. Er hätte Teodora so gern wiedergesehen.
Ein Kratzen an der Tür ließ ihn hochfahren und aufspringen. Trotz seines massigen Körpers war er beweglicher, als er sich vor anderen den Anschein gab. Er wischte sich wieder Gesicht und Hals mit einem neuen Tuch ab, während er an dem kleinen Backsteinofen, den er hier gewiss nicht benötigte, und an den Kommoden mit ihren kunstvoll geschnitzten und bemalten Vorderseiten vorbeiging. Als er die Tür öffnete, huschte eine schlanke, ganz in Schwarz gehüllte Gestalt an ihm vorbei nach drinnen. Er blickte sich ganz kurz in der mondbeschienenen Dunkelheit um, weil er sichergehen wollte, dass niemand zugesehen hatte, und dann schloss er die Tür schnell wieder. Die Fahrer schnarchten alle friedlich unter den anderen Wagen, und die Aielwachen kamen niemals direkt zu den Wagen heran.
»Es muss dir doch heiß sein, Isendre«, schmunzelte er. »Zieh doch dieses Gewand aus und mach es dir bequem.«
»Danke, nein«, sagte sie in bitterem Tonfall aus dem Schatten unter ihrer Kapuze heraus. Sie stand steif da und zuckte nur von Zeit zu Zeit. Die Wolle ihres Gewands schien heute Abend noch mehr zu kratzen als sonst.
Er schmunzelte wieder. »Wie du wünschst.« Unter diesem Gewand durfte sie, dem Befehl der Töchter des Speers entsprechend, nichts tragen, bestenfalls den gestohlenen Schmuck. Seit man sie den Töchtern ausgeliefert hatte, war sie geradezu prüde geworden. Er konnte sich immer noch nicht vorstellen, wieso die Frau dumm genug gewesen war, zu stehlen. Er hatte natürlich keine Einwände erhoben, als man sie kreischend an den Haaren aus dem Wagen gezerrt hatte. Damals war er nur froh gewesen, dass man nicht glaubte, er sei darin verwickelt. Ihre Habgier hatte seine Arbeit allerdings erheblich erschwert. »Kannst du mir irgendetwas von al’Thor oder Natael berichten?« Ein wichtiger Teil von Lanfears Anweisungen hatte darin bestanden, diese beiden genau zu beobachten, und er kannte keine bessere Methode, einen Mann im Auge zu behalten, als ihm eine Frau ins Bett zu schicken. Jeder Mann erzählte seiner Bettgenossin Dinge, die er geheimzuhalten geschworen hatte, prahlte mit seinen Plänen und enthüllte ihr seine Schwächen, selbst wenn er der Wiedergeborene Drache war, dieser Morgendämmerungsmensch oder wie ihn die Aiel nannten.
Sie schauderte sichtlich. »Zumindest Natael kann ich mich nähern.« Sich ihm nähern? Als die Töchter sie einmal dabei erwischten, wie sie in das Zelt dieses Mannes schlüpfte, hatten sie Isendre jede Nacht praktisch mit Gewalt zu ihm hineingestoßen. Sie war eine wahre Meisterin im Schönreden. »Nicht, dass er mir irgendetwas erzählen würde. Warte. Hab Geduld. Sei still. Finde dich mit dem Schicksal ab, was das auch bedeuten mag. Das sagt er jedes Mal, wenn ich ihm eine Frage zu stellen versuche. Meistens will er bloß Musik spielen, wie ich sie noch nie gehört habe, und dann will er mich lieben.« Mehr hatte sie noch nie über den Gaukler zu berichten gewusst. Zum hundertsten Mal fragte er sich, warum Lanfear wollte, dass er Natael überwache. Der Mann stand doch angeblich so hoch in Schattenfreundeskreisen, wie es überhaupt nur ging, nur einen kleinen Schritt unterhalb der Auserwählten selbst.
»Wie ich das verstehe, hast du es immer noch nicht fertig gebracht, in al’Thors Bett zu schlüpfen?«, fragte er und schob sich an ihr vorbei, um sich auf das Bett zu setzen.
»Nein.« Sie wand sich wieder unter ihrem Gewand.
»Dann musst du dich eben noch mehr anstrengen, ja? Ich habe langsam genug von Versagern, Isendre, und unsere Herren sind nicht so geduldig wie ich. Er ist auch nur ein Mann, gleich, welche Titel er führen mag.« Sie hatte oft vor ihm geprahlt, sie könne jeden Mann
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