Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
und schob ihren Korbstuhl zurück. Sie hoffte, er werde keine Schwierigkeiten machen. Er blickte eines der Aes-Sedai-Gesichter nach dem anderen an und schien wieder mehr wahrzunehmen als in den letzten Tagen. »Bleibt bitte hier an diesem Tisch, bis ich zurück bin, Dalyn.« Sie konnte sich noch nicht wieder daran gewöhnen, sich unter Menschen zu befinden, die seinen richtigen Namen kannten. »Bitte.«
»Sie hat mich an Aes Sedai verkauft.« Sie erschrak, als er plötzlich nach so langem Schweigen wieder sprach. Er schauderte und nickte dann. »Ich werde warten.«
Min zögerte, aber wenn ihn zwei Behüter nicht von Dummheiten abhalten konnten, dann wenigstens ein ganzer Raum voller Aes Sedai. Als sie zur Tür kam, wurde gerade ein kräftiger brauner Wallach von einem Mann weggeführt, der wie ein Stallbursche auf sie wirkte. Sie nahm an, es sei Brynes Pferd. Ihre eigenen konnte sie nirgends entdecken. Das war’s dann also mit dem schnellen Wegreiten. Ich werde dieses verdammte Ding einhalten. Bestimmt! Aber sie können mich nicht länger von Rand fernhalten. Ich habe getan, was Siuan wollte. Sie müssen mich zu ihm lassen. Das einzige Problem war nur, dass für gewöhnlich die Aes Sedai ihre eigenen Entscheidungen trafen und meistens auch noch gleich für andere mit entschieden.
Siuan hätte sie beinahe über den Haufen gerannt, als sie mit finsterer Miene hereineilte, eine Deckenrolle unter dem Arm und Satteltaschen über die Schulter gehängt. »Behaltet gefälligst Logain im Auge«, zischte sie ihr zu, ohne den Schritt zu verlangsamen. »Lasst ihn mit niemandem sprechen.« Sie marschierte zur Treppe hinüber, wo eine grauhaarige Frau, sicher eine Dienerin, gerade Bryne hinaufführen wollte, und schloss sich den beiden an. So, wie sie den Rücken des Mannes fixierte, konnte er froh sein, wenn sie nicht zu ihrem Messer griff.
Min lächelte den hochgewachsenen, schlanken Behüter an, der ihr zur Tür gefolgt war. Er stand zehn Fuß entfernt und sah kaum zu ihr herüber, doch sie machte sich keine Illusionen. »Wir sind jetzt Gäste. Freunde.« Er erwiderte das Lächeln nicht. Verdammte Männer mit Euren Steinmienen! Warum konnten sie einem nicht wenigstens ein bisschen zu verstehen geben, was sie dachten?
Logain musterte immer noch die Aes Sedai, als sie zum Tisch zurückkam. Ausgerechnet jetzt wollte Siuan, dass er nichts sagte, wo er doch endlich wieder Lebenszeichen von sich gab. Sie musste unbedingt mit Siuan sprechen. »Logain«, sagte sie leise in der Hoffnung, keiner der an die Wand gelehnt dastehenden Behüter könne die Worte verstehen. Sie hatten sich ja kaum gerührt, seit sie ihre Beobachtung übernommen hatten, außer demjenigen, der ihr an die Tür gefolgt war. »Ich glaube, Ihr solltet nichts sagen, bis Mara Euch mitteilt, was sie plant. Niemandem.«
»Mara?« Er lächelte sie höhnisch an. »Ihr meint wohl Siuan Sanche?« Also erinnerte er sich an das, was er im Tran gehört hatte. »Sieht hier irgendjemand so aus, als wolle er oder sie mit mir sprechen?« Er widmete sich wieder seinen finsteren Beobachtungen.
Niemand machte den Eindruck, mit einem ausgebrannten falschen Drachen reden zu wollen. Außer den beiden Behütern schien überhaupt niemand sie auch nur zu beachten. Wüsste sie es nicht besser, hätte sie gesagt, unter den Aes Sedai im Raum herrsche Aufregung. Sie hatten auch vorher bestimmt keinen trägen, uninteressierten Eindruck auf sie gemacht, doch nun schien eine unsichtbare Energie alle gepackt zu haben. Sie standen in kleinen Gruppen zusammen und diskutierten oder gaben den Behütern knappe, zielbewusste Anweisungen. Die Papiere, auf die sie sich vorher so konzentriert hatten, lagen jetzt zumeist vergessen herum. Sheriam und die anderen, die Siuan zu sich geholt hatten, waren in das Hinterzimmer zurückgekehrt, aber Leane saß nun mit zwei Helferinnen an einem Tisch, und die beiden Frauen machten sich Notizen, so schnell sie nur konnten. Außerdem kamen immer wieder neue Aes Sedai in die Schenke, verschwanden hinter dieser grob gezimmerten Brettertür und kamen nicht mehr heraus. Was dort drinnen auch geschehen sein mochte, Siuan hatte einiges in Bewegung gesetzt.
Min wünschte sich Siuan an ihren Tisch herbei, oder besser noch irgendwo, wo sie fünf Minuten lang allein miteinander sprechen könnten. Zweifellos schlug sie in diesem Moment Bryne die eigenen Satteltaschen um die Ohren. Nein, zu solchen Mitteln würde Siuan vielleicht doch nicht greifen, trotz ihrer
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