Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
etwas standen, das man allmählich als Straße bezeichnen konnte. Nun aber fuhr sie die beiden an, wobei sie ihnen abwechselnd drohend den Finger unter die Nase hielt. »Wie könnt Ihr es wagen, mich derart hinauszuzerren!« Leute, die gerade vorbeikamen, grinsten – Männer verständnisvoll und Frauen beifällig –, obwohl ja niemand eine Ahnung haben konnte, warum sie so auf sie einbrüllte. »Noch fünf Minuten, und ich hätte ihn soweit gehabt, dass er noch heute ein Schiff aufgetrieben hätte! Wenn Ihr mich jemals wieder anfasst …« Uno schnaubte so laut, dass sie überrascht innehielt.
»Noch fünf verfluchte Minuten, und Masema hätte verdammt noch mal Hand an Euch gelegt. Oder vielmehr hätte er jemandem befohlen, das für ihn zu besorgen, und das hätte verflucht noch mal jemand wirklich getan! Wenn er sagt, etwas solle gemacht werden, dann findet er immer fünfzig verdammte Hände oder auch hundert oder verfluchte tausend, wenn es sein muss, um es für ihn zu tun!« Er marschierte davon, die Straße hinunter, Ragan immer an seiner Seite. Sie musste mitgehen, oder sie würde zurückbleiben. Uno lief so schnell weiter, als wisse er genau, dass sie ihnen folgte. Beinahe wäre sie in die entgegengesetzte Richtung gegangen, nur aus reinem Trotz. Ihnen zu folgen hatte nichts damit zu tun, dass sie etwa fürchtete, sich in diesem Kaninchenbau von Straßen zu verlaufen. Sie hätte den Weg hinaus schon gefunden. Irgendwann. »Er ließ einen verdammten Lord des Hochrats der Krone auspeitschen – auspeitschen! –, obwohl er nur halb so zornig war wie auf Euch«, grollte der Einäugige. »Das Wort des Lord Drachen missachten, nannte er es. Friede! Ihm vorzuwerfen, welches verfluchte Recht er habe, Euer verdammtes Kleid zu kritisieren! Ein paar Minuten lang habt Ihr euch gut gehalten, aber ich habe Eure Miene zum Schluss genau beobachtet. Ihr wart drauf und dran, noch mal auf ihn, verdammt noch mal, loszugehen. Das einzig noch Schlimmere, das Ihr hättet tun können, wäre, im Namen des Lord Drachen zu fluchen. Das bezeichnet er als Blasphemie. Genauso gut könnt Ihr den verfluchten Namen des verdammten Dunklen Königs nennen!«
Ragans Skalplocke wackelte, so lebhaft nickte er. »Erinnerst du dich an die Lady Baelome, Uno? Gleich, nachdem aus Tear die ersten Gerüchte über den Lord Drachen auftauchten, Nynaeve, sagte sie etwas in abfälligem Ton über ›diesen Rand al’Thor‹, und das in Masemas Hörweite. Er holte nicht einmal Luft, so schnell schickte er nach einer Axt und einem Hackklotz.«
» Dafür ließ er jemand enthaupten?«, fragte sie ungläubig.
»Nein«, knurrte Uno angewidert. »Aber nur, weil sie verdammt schnell vor ihm kroch, als sie begriff, dass er es blutig ernst meinte. Sie wurde hinausgeschleppt und an ihren verfluchten Handgelenken hinten an ihre eigene Kutsche gehängt und von vorn bis hinten durch das verdammte Dorf geschleift, in dem wir uns gerade befanden. Ihre eigenen verdammten Lakaien standen daneben wie ein Haufen feiger Bauern und schauten zu.«
»Als sie mit ihr fertig waren«, fügte Ragan hinzu, »dankte sie Masema für seine Gnade, genauso wie auch ihr Mann, Lord Aleshin.« Sein Tonfall war viel zu belehrend, um ihr zu passen. Er wollte ihr eine Lehre erteilen und sichergehen, dass sie ihn auch verstand. »Sie hatten einen guten Grund dafür, Nynaeve. Ihre wären nicht die ersten Köpfe gewesen, die er auf Stangen stecken ließ. Eurer wäre vielleicht der im Moment letzte gewesen. Und unsere wären auch gleich mitgerollt, hätten wir versucht, Euch zu helfen. Masema bevorzugt niemanden.«
Sie holte erst einmal Luft. Wie konnte Masema so viel Macht besitzen? Und offensichtlich nicht nur bei seinen eigenen Anhängern. Aber andererseits gab es ja keinen Grund dafür, warum Lords und Ladies nicht genauso große Narren sein sollten wie jeder Bauer. Ihrer Einschätzung nach waren viele davon sogar die größeren. Diese dumme Frau mit den vielen Ringen war ganz bestimmt auch eine Lady gewesen; solche Steine trug keine einfache Kauffrau. Aber Ghealdan hatte doch sicherlich eigene Gesetze und Gerichte und Richter! Wo war denn die Königin oder der König? Sie konnte sich nicht daran erinnern, wer in Ghealdan herrschte. Keiner an den Zwei Flüssen hatte je viel mit Königinnen oder Königen am Hut gehabt, aber dafür waren sie ja schließlich da, diese Lords und Ladies – um dafür zu sorgen, dass im Land Gerechtigkeit herrschte. Doch was Masema hier auch tat, ging sie
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