Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Gleichzeitig musste er notgedrungen immer stärker gegen Saidin ankämpfen, musste immer mehr Kraft gebrauchen, um nicht auf der Stelle zu einem Aschehaufen verbrannt zu werden, um nicht sein Gehirn ausbrennen zu lassen. Es wurde immer schwieriger, der Vernichtung durch Saidin zu entgehen, der Verlockung zu widerstehen, zu viel Energie in sich aufzunehmen, das zu beherrschen, was er tatsächlich aufnahm. Es ging stetig abwärts mit ihm, und es würde noch Stunden dauern, bevor die Schlacht entschieden war.
Er wischte sich den Schweiß aus den Augen und packte das grobe Geländer der Plattform etwas fester. Wenn er schon dem Aufgeben nahe war, wie ging es dann Egwene und Aviendha, die beide nicht so stark waren wie er? Die Aielfrau stand da, spähte nach Cairhien und zu den Sturmwolken hinüber und bückte sich gelegentlich, um durch das lange Fernrohr zu blicken. Egwene saß im Schneidersitz an eine senkrechte Strebe gelehnt, an der man nicht einmal die graue Rinde abgeschält hatte, und hatte die Augen geschlossen. Sie sahen beide genauso abgearbeitet aus, wie er sich selbst fühlte.
Bevor er irgendetwas für sie tun konnte – er hätte auch nicht gewusst, was, denn er verstand nichts vom Heilen –, öffnete Egwene jedoch die Augen und stand auf. Sie wechselte ein paar Worte mit Aviendha, die aber bei diesem Sturmgetöse sogar seinen von Saidin geschärften Sinnen entgingen. Dann setzte sich Aviendha an Egwenes Platz und ließ ihren Kopf zurück an die Strebe sinken. Aus den schwarzen Wolken über dem gesamten Umkreis der Stadt zuckten nach wie vor Blitze herab, aber jetzt waren es viel häufiger nur wild gezackte Lichtstreifen anstatt der zielgerichteten grellen Lanzen.
Also wechselten sie sich ab, damit sich jede dazwischen ausruhen konnte. Es wäre schön gewesen, jemanden zu haben, mit dem auch er sich hätte abwechseln können, aber er bereute es andererseits nicht, Asmodean befohlen zu haben, im Zelt zu bleiben. Er hätte ihm nicht genug vertraut, um ihn mit der Macht arbeiten zu lassen. Besonders jetzt nicht. Wer wusste schon, was er anstellte, sähe er Rand nun in so geschwächtem Zustand?
Rand taumelte ein wenig. Dann zog er das Fernrohr herum, um die Hügel außerhalb der Stadt zu beobachten. Dort war jetzt wieder Leben sichtbar geworden. Und Tod. Wohin er auch blickte, überall wurde gekämpft, Aiel gegen Aiel, tausend hier, fünftausend dort, so überrannten sie die baumlosen Hügel, viel zu eng ineinander verkeilt, als dass er hätte eingreifen können. Die Kolonne der Reiter und Pikeure konnte er nirgends entdecken.
Dreimal hatte er sie kurz erblickt, und einmal hatten sie gegen die etwa doppelte Anzahl von Aiel gekämpft. Er war sicher, dass sie sich noch immer dort draußen befanden. Er hatte kaum Hoffnung, dass Melanril sich entschieden hätte, zu diesem späten Zeitpunkt doch noch seine Befehle zu befolgen. Den Mann zum Befehlshaber auszuwählen, nur weil er den Anstand besessen hatte, sich ob Weiramons Benehmen verlegen zu zeigen, war ein Fehler gewesen, aber er hatte zu wenig Zeit zum Überlegen gehabt und musste Weiramon unbedingt loswerden. Jetzt konnte er nichts mehr daran ändern. Vielleicht könnte man einem der Männer aus Cairhien den Befehl übergeben. Falls die Tairener auf seinen direkten Befehl hin ausnahmsweise einmal jemandem aus Cairhien gehorchten.
Eine wogende Menschenmenge direkt vor der hohen, grauen Stadtmauer fiel ihm auf. Die großen, eisenbeschlagenen Torflügel standen offen. Aiel kämpften davor gegen Reiter und Lanzenträger, während andere Leute sich bemühten, das Tor wieder zu schließen. Sie strengten sich mächtig an, doch der Druck der vielen Körper ließ sie scheitern. Reiterlose Pferde und unbewegliche, gerüstete Gestalten auf dem Boden eine halbe Meile vom Tor entfernt zeigten, wo der Ausfall abgefangen worden war. Es regnete Pfeile von der Mauer und dazu kopfgroße Trümmerstücke. Gelegentlich schoss sogar der eine oder andere Speer herunter, und zwar mit solcher Wucht, dass er zwei oder drei Mann auf einmal aufspießen konnte, aber noch immer war er nicht in der Lage, zu erkennen, woher diese Speere kamen. Doch die Aiel stiegen über ihre Gefallenen hinweg und kamen dem Tor immer näher. Sie würden sich bestimmt bald den Weg hinein erkämpfen. Ein schneller Rundblick zeigte ihm zwei weitere Kolonnen von Aiel, die sich in Richtung des Tores bewegten, alles in allem vielleicht dreitausend Mann. Er zweifelte nicht daran, dass es sich um weitere
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