Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
sich hoch, ohne sie den Steigbügel benützen zu lassen, nur um ihr zu beweisen, dass er dazu in der Lage sei. Dann trat er dem Apfelschimmel in die Flanken, bevor sie noch richtig saß. Sie schlang beide Arme um seine Taille und grollte noch nicht einmal sehr laut oder lange vor sich hin. Er schnappte lediglich ein paar Kleinigkeiten auf, was sie im Augenblick von Rand al’Thor hielt und auch vom Car’a’carn . Sie ließ aber keineswegs los, wofür er dankbar war. Es war nicht nur angenehm, ihren Körper zu spüren, der sich an seinen Rücken presste, sondern auch als Stütze war sie ihm willkommen. Als sie erst halb oben gewesen war, war er einen Moment lang keineswegs sicher gewesen, ob sie oben oder er unten landen würde. Er hoffte, dass sie es nicht bemerkt hatte. Er hoffte, dass sie ihn nicht nur deshalb jetzt so fest in den Armen hielt.
Das rote Banner mit der großen schwarz-weißen Scheibe flatterte hinter Pevin, als sie im Zickzack den Hügel hinab und durch die Täler mit ihren niedrigen Abhängen ritten. Wie gewöhnlich schenkten die Aiel ihrer Gruppe nur wenig Beachtung, obwohl ja das Banner deutlich seine Anwesenheit anzeigte, genau wie die sie umgebende Eskorte von mehreren Hundert Far Dareis Mai , die zu Fuß leicht mit Jeade’en und den Maultieren schritthielten. Sie gingen zwischen den Zelten, die die Abhänge bedeckten, ihren Aufgaben nach und blickten höchstens einmal des Hufgeklappers wegen auf.
Es hatte ihn überrascht, von fast zwanzigtausend gefangenen Anhängern Couladins zu erfahren. Bevor er die Zwei Flüsse verließ, hatte er überhaupt nicht glauben können, dass sich je so viele Menschen am gleichen Ort aufhielten. Doch diese Gefangenen zu sehen hatte ihn viel stärker erschüttert. In Gruppen von vierzig oder fünfzig waren sie wie die Kohlköpfe auf dem Acker auf den Abhängen platziert worden. Männer wie Frauen saßen nackt in der Sonne. Jede Gruppe wurde von einem Gai’shain bewacht, wenn überhaupt. Ansonsten kümmerte sich kaum jemand um sie. Höchstens, dass von Zeit zu Zeit eine in den Cadin’sor gekleidete Gestalt zu einer dieser Gruppen ging und einen Mann oder eine Frau mit einem Auftrag wegschickte. Wer da auch aufgerufen wurde, rannte los, und Rand beobachtete mehrere, die zurückkehrten und sich wieder an ihren Platz setzten. Die übrige Zeit saßen sie ruhig, fast gelangweilt da, als hätten sie nur keinen Grund, sich woanders zu befinden, und als wollten sie das auch gar nicht.
Vielleicht würden sie sich genauso gelassen weiße Gewänder überziehen. Und doch musste er sich daran erinnern, wie die gleichen Leute schon einmal ihre eigenen Sitten und Gesetze übertreten hatten. Couladin hatte wohl mit diesen Verstößen begonnen oder sie befohlen, aber sie waren seiner Führung gefolgt und hatten ihm gehorcht.
Er blickte finster zu den Gefangenen hinüber – zwanzigtausend, und weitere würden dazukommen. Er würde sie ganz gewiss keinem Gai’shain anvertrauen. So brauchte er eine Weile, bis ihm etwas Eigenartiges an den anderen Aiel auffiel. Töchter des Speers und Aielmänner, die den Speer trugen, hatten nie eine Kopfbedeckung außer natürlich der Shoufa und benützten auch niemals eine andere Farbe als solche, die in der Wüstenlandschaft zur Tarnung dienen konnten, doch nun sah er Männer mit einem schmalen roten Stirnband. Vielleicht jeder vierte oder fünfte hatte sich ein rotes Tuch um die Stirn gewickelt, auf das eine Scheibe gestickt war, die beiden zusammengesetzten Tränen, eine schwarz und eine weiß. Andere hatten sie sich auf die Stirn gemalt. Und was vielleicht das Eigenartigste war: auch Gai’shain trugen dieses neue Zeichen. Die meisten hatten wohl die Kapuzen übergezogen, aber jeder mit unbedecktem Kopf zeigte das gleiche Mal. Und die Algai’d’siswai im Cadin’sor sahen zu und unternahmen nichts. Den Gai’shain war unter keinen Umständen erlaubt, Gleiches zu tragen, wie diejenigen, denen es gestattet war, Waffen zu führen. Niemals.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Aviendha kurz angebunden zu seinem Rücken, als er sie fragte, was das zu bedeuten habe. Er bemühte sich, etwas gerader aufgerichtet im Sattel zu sitzen. Sie schien ihn tatsächlich etwas fester als notwendig gepackt zu haben. Einen Augenblick später fuhr sie fort, allerdings so leise, dass er genau aufpassen musste, um alles zu verstehen. »Bair drohte mir Prügel an, wenn ich es noch einmal erwähnte, und Sorilea verpasste mir eins mit dem Stock, aber ich glaube,
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