Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
das sind die, die behaupten, wir seien Siswai’aman .«
Rand öffnete den Mund, um nach der Bedeutung dieser Bezeichnung zu fragen, denn er kannte nur wenige Worte der Alten Sprache, doch da kam ihm wirklich eine stichhaltige Übersetzung in den Sinn. Siswai’aman. Wörtlich konnte das bedeuten: der Speer des Drachens.
»Manchmal«, schmunzelte Asmodean von unten herauf, »ist es schwer, den Unterschied zwischen Euch selbst und Euren Feinden zu erkennen. Sie wollen die Welt besitzen, aber wie es scheint, besitzt Ihr bereits ein Volk.«
Rand wandte ihm das Gesicht zu und starrte ihn solange an, bis seine Heiterkeit verflog und er sich mit einem verlegenen Achselzucken zu Pevin und dem Banner zurückfallen ließ. Das Dumme war tatsächlich, dass die Bezeichnung ein Besitzverhältnis einschloss; mehr als nur einschloss. Auch diese Erkenntnis stammte aus den Erinnerungen Lews Therins. Es schien nicht möglich, ein Volk zu besitzen, aber falls doch, wollte er das nicht. Alles, was ich will, ist lediglich, sie zu benützen, dachte er sarkastisch.
»Wie ich sehe, glaubst du das nicht«, sagte er über seine Schulter nach hinten. Keine der Töchter hatte ein solches Abzeichen angelegt.
Aviendha zögerte, bevor sie antwortete: »Ich weiß nicht, was ich glauben soll.« Sie sprach genauso leise wie vorher, und doch klang es nun irgendwie zornig und unsicher zugleich. »Es gibt vieles, woran man glauben kann, und die Weisen Frauen schweigen sich oft aus, als wüssten sie die Wahrheit selber nicht. Einige behaupten, wenn wir dir folgen, tun wir Buße für die Sünde unserer Vorfahren, die den … den Aes Sedai gegenüber versagten.«
Das Stocken ihrer Stimme überraschte ihn. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass sie genauso besorgt wie die anderen Aiel über die Dinge aus ihrer Vergangenheit nachgrübelte, die er ihnen enthüllt hatte. Beschämt war vielleicht eine bessere Bezeichnung als besorgt. Scham war ein wichtiger Teil von Ji’e’toh . Sie schämten sich dessen, was sie gewesen waren: Anhänger des Wegs des Blattes. Und zur gleichen Zeit schämten sie sich, dass sie ihren Eid, diesem Weg zu folgen, gebrochen hatten.
»Zu viele haben mittlerweile irgendeine Fassung eines Teils der Prophezeiungen des Drachen gehört«, fuhr sie etwas beherrschter fort. Er fand es ein wenig überheblich – als habe sie auch nur ein Wort dieser Prophezeiungen gekannt, bevor sie ihre Ausbildung zur Weisen Frau begann. »Aber alles wurde verdreht. Sie wissen, dass du uns vernichten wirst …« einen tiefen Atemzug lang versagte ihre Selbstbeherrschung –, »aber viele glauben, du würdest uns in endlosen Tänzen des Speers langsam aufreiben und töten; ein Opfer, um die Sünde zu sühnen. Andere glauben, die Trostlosigkeit an sich sei eine Prüfung, damit vor der Letzten Schlacht alle Untauglichen aussortiert würden und nur der harte Kern übrigbliebe. Ich habe sogar von einigen gehört, die behaupten, die Aiel seien jetzt nur noch dein Traum, und wenn du von diesem Leben erwachst, sind wir nicht mehr.«
Das waren vielleicht grimmige Glaubensbekenntnisse! Schlimm genug, dass er ihnen eine Vergangenheit enthüllt hatte, die sie als beschämend betrachteten. Es war ein Wunder, dass ihn nicht alle im Stich gelassen hatten. Oder wahnsinnig geworden waren. »Was glauben die Weisen Frauen?«, fragte er genauso leise wie sie.
»Dass alles, was kommen muss, auch kommen wird. Wir werden retten, was zu retten ist, Rand al’Thor. Auf mehr hoffen wir gar nicht.«
Wir. Sie betrachtete sich bereits als eine der Weisen Frauen, genau wie Egwene und Elayne sich unter die Aes Sedai einreihten. »Na ja«, sagte er mit gekünstelter Heiterkeit, »ich denke, zumindest Sorilea glaubt, man müsse mir alles um die Ohren schlagen. Wahrscheinlich ist Bair der gleichen Meinung. Und ganz bestimmt Melaine.«
»Unter anderem«, murmelte sie. Zu seiner Enttäuschung schob sie sich nach hinten, weg von ihm, wenn sie auch noch seinen Rock gepackt hielt. »Sie glauben viele Dinge, bei denen ich mir wünschte, sie glaubten sie nicht.«
Unwillkürlich musste er grinsen. Also glaubte sie nicht, man müsse ihm eins auf die Ohren geben. Das war doch eine angenehme Abwechslung; die erste, seit er erwacht war.
Hadnan Kaderes Wagen standen etwa eine Meile von seinem Zelt entfernt. Sie waren im Kreis in einer breiten Senke zwischen zwei Hügeln aufgestellt worden und wurden von Steinhunden bewacht. Der Schattenfreund mit der enormen Hakennase hatte sich
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