Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
hatte sie noch genügend von diesem Saft, um sich das Haar mehrere Male auszuwaschen. Und genügend roten Fenchel, damit es ihrem Magen nicht zu schlecht erging. Sie konnte nicht anders, als vor Erleichterung zufrieden aufzuseufzen, sobald ihr Haar getrocknet und wieder zu einem ordentlichen Zopf geflochten war. Da Elayne nun gute Winde herangewebt hatte und Neres Tag und Nacht durchfuhr, glitten die Dörfer und Bauernhöfe mit ihren strohgedeckten Dächern rasch zu beiden Seiten an ihnen vorbei. Am Tag winkten ihnen die Menschen an den Ufern so manches Mal zu, und bei Nacht sahen sie die hell erleuchteten Fenster. Von dem Aufruhr weiter flussaufwärts war hier nichts zu spüren. So plump dieses auf den falschesten aller Namen getaufte Schiff auch war, es kam jedenfalls mit der Strömung schnell vorwärts.
Neres schien hin- und hergerissen zwischen seiner Freude an den guten Winden und seinen Sorgen, weil sie auch bei Tageslicht weiterfuhren. Mehr als einmal blickte er sehnsuchtsvoll zu einem toten Flussarm, einer kleinen Bucht oder der durch Bäume vor der Sicht geschützten Mündung eines Baches hinüber, wo er die Wasserschlange gut verborgen hätte festmachen und warten können. Gelegentlich ließ Nynaeve eine Bemerkung fallen, sodass er sie hören konnte – wie froh er doch sein musste, da er nun bald die Leute aus Samara los sei –, und dazu warf sie noch den einen oder anderen Kommentar darüber ein, wie gut diese oder jene Frau nun aussehe, da sie ein wenig ausgeruht habe, und wie energiegeladen ihre Kinder spielten. Das reichte, um jeden Gedanken an einen Zwischenhalt aus seinem Kopf zu verscheuchen. Es wäre möglicherweise leichter gewesen, ihm mit den Shienarern oder Thom und Juilin zu drohen, aber diese Kerle hatten mittlerweile sowieso schon viel zu geschwollene Köpfe. Und außerdem hatte sie nicht die Absicht, sich mit einem Mann herumzustreiten, der sie weder anblickte noch direkt mit ihr sprach.
Als der dritte Tag grau heraufdämmerte, mussten die Besatzungsmitglieder wieder an die Ruder gehen, und das Schiff schleppte sich schwerfällig an einen der Kais von Boannda. Das war eine beachtlich große Stadt, größer als Samara auf jeden Fall, und sie lag auf einer Landspitze, wo der Boern mit schneller Strömung von Jehannah herunterkam und in den viel trägeren Eldar mündete. Innerhalb der hohen, grauen Stadtmauer standen sogar drei Türme und ein blendend weißes Gebäude mit einem roten Ziegeldach, das man durchaus als Palast bezeichnen konnte, wenn auch nur als einen kleinen. Als die Wasserschlange an dem schweren Pfahlwerk am Ende des Kais vertäut wurde, der sich eher durch eingetrockneten Schlamm als durch das Wasser zog, fragte sich Nynaeve laut, warum Neres den ganzen Weg nach Samara hinaufgefahren war, wenn er seine Fracht genauso gut auch hier hätte löschen und verkaufen können.
Elayne nickte in Richtung eines stämmigen Mannes auf dem Kai, der auf der Brust eine Kette mit irgendeinem Siegel daran trug. Es standen noch ein paar andere von dieser Sorte dort, alle mit blauem Rock und dieser Kette, die genau beobachteten, wie zwei weitere plumpe Schiffe an anderen Kais ihre Ladung löschten. »Ich würde sagen, das sind die Zollbeamten Königin Alliandres.« Neres trommelte mit den Fingern nervös auf die Reling und vermied es genauso eindringlich, diese Männer anzublicken, wie sie die anderen Schiffe musterten. »Vielleicht hatte er sich mit denen in Samara irgendwie arrangiert. Ich glaube nicht, dass er mit denen hier sprechen möchte.«
Die Männer und Frauen aus Samara schritten zögernd über die Planke, die als Steg diente. Von den Zollbeamten wurden sie ignoriert. Es wurde kein Zoll auf Menschen erhoben. Für diese Flüchtlinge begann nun wieder die Zeit völliger Ungewissheit. Ein vollständiger Neubeginn für ihre Leben lag nun vor ihnen, und sie hatten nichts außer dem, was sie am Leib trugen und was Elayne und Nynaeve ihnen zugesteckt hatten. Bevor sie auch nur den Kai zur Hälfte hinter sich hatten, wobei sie sich ängstlich aneinanderdrückten, begannen einige der Frauen bereits, genauso entmutigt dreinzublicken wie die Männer. Andere begannen sogar zu weinen. Auf Elaynes Gesicht stand ein innerer Konflikt geschrieben. Sie wollte am liebsten immer für jeden sorgen. Nynaeve hoffte, Elayne möge nicht bemerken, dass sie einigen Frauen in letzter Sekunde ein paar weitere Silbermünzen zugesteckt hatte.
Nicht alle verließen das Schiff. Areina blieb, und Nicola und
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