Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
»Dann wäre ich soweit fertig. Ihr mögt nun gehen.«
Ein paar fuhren überrascht zusammen, verbargen diese Überraschung jedoch so schnell, dass er sie sich eingebildet haben konnte, und dann erhoben sie sich unter Verbeugungen und Knicksen. Selande und die jungen Lords schritten rückwärts davon. Sie hatten mehr erwartet. Eine Audienz beim Wiedergeborenen Drachen dauerte für gewöhnlich lang, und sie sahen sie wohl als eine Art Martyrium an. Immer zwang er sie auf den Weg, den er für sie bestimmt hatte, ob er nun erklärte, kein Tairener könne Land in Cairhien beanspruchen, wenn er nicht in ein Adelshaus dieses Landes einheiratete, oder ob er sich weigerte, die Menschen vom Vortor aus der Stadt weisen zu lassen, oder ob er Gesetze erließ, die plötzlich auch für den Adel gelten sollten, obwohl sie zuvor stets nur für die Gemeinen gegolten hatten.
Sein Blick folgte Selande einen Moment lang. Sie war nicht die Erste gewesen, die innerhalb der letzten zehn Tage Ähnliches versucht hatte. Nicht einmal die Zehnte oder die Zwanzigste. Er war schon in Versuchung geraten, jedenfalls zu Beginn. Wenn er eine Schlanke zurückwies, folgte prompt eine Mollige, und eine Hochgewachsene, für die Verhältnisse Cairhiens jedenfalls, löste eine Kleine ab und eine Dunkelhaarige die Blonde davor. Sie suchten unablässig nach Frauen, die ihm zusagen mochten. Die Töchter des Speers wiesen jene ab, die versuchten, sich nachts in seine Räume einzuschleichen. Energisch, aber doch sanfter als Aviendha im Falle der einen, die sie selbst erwischt hatte. Aviendha nahm offensichtlich den Eigentumsanspruch Elaynes auf ihn beinahe tödlich ernst. Und doch schien ihr für die Aiel typischer Sinn für Humor es sehr befriedigend zu finden, ihn zu quälen. Er hatte jedenfalls die Zufriedenheit auf ihrer Miene bemerkt, als er stöhnte und sein Gesicht verbarg, weil sie begann, sich vor ihm zur Nacht auszukleiden. Eigentlich hatte ihn ja ihr tödlicher Ernst abgestoßen, hätte er nicht schnell gemerkt, was hinter diesem Zustrom hübscher junger Frauen steckte.
»Lady Colavaere.«
Sie blieb stehen, als er ihren Namen aussprach. Ihre Augen blickten kühl und beherrscht unter dem kunstvollen Turm dunkler Locken hervor, Selande hatte keine andere Wahl, als bei ihr zu bleiben, obwohl sie sich ganz offensichtlich vor dem Zurückbleiben genauso scheute wie die anderen vor dem Gehen. Meilan und Maringil verbeugten sich noch einmal und gingen. Dabei grübelten sie so angestrengt darüber nach, warum Colavaere zum Bleiben aufgefordert worden war, dass ihnen gar nicht bewusst wurde, wie sie sich Seite an Seite bewegten. Ihre Augen passten perfekt zueinander: dunkel und raubvogelartig.
Die Tür mit der dunklen Holztäfelung schloss sich. »Selande ist eine hübsche junge Frau«, sagte Rand. »Doch manch einer bevorzugt die Gesellschaft einer reiferen und … erfahreneren Frau. Ihr werdet heute Abend allein mit mir speisen, wenn die Abendglocken das zweite Mal läuten. Ich freue mich auf das Vergnügen Eurer Gesellschaft.« Er winkte sie fort, bevor sie auch nur etwas entgegnen konnte. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht, nur ihr Knicks war ein wenig unsicher. Selande blickte vollkommen verblüfft drein. Und unendlich erleichtert.
Sobald sich die Tür hinter den beiden Frauen geschlossen hatte, begann Rand, schallend zu lachen. Es war ein hartes, sardonisches Lachen. Er war des Spiels der Häuser müde, also spielte er es, ohne weiter nachdenken zu müssen. Er fand sich selbst widerlich, weil er eine Frau so erschreckt hatte, also jagte er zum Ausgleich einer anderen einen gehörigen Schreck ein. Das war wohl Grund genug für sein Gelächter. Colavaere stand hinter jener Reihe junger Frauen, die sich ihm an den Hals geworfen hatten. Fände sie eine passende Bettgenossin für den Lord Drachen, eine junge Frau, die sie als Marionette benützen konnte, dann hatte Colavaere auch Rand fest an der Leine. Und doch war es eine andere Frau, die sie dem Lord Drache ins Bett schicken und vielleicht sogar mit ihm verheiraten wollte, nicht etwa sich selbst. Nun würde sie die ganze Zeit über bis zum zweiten Abendläuten schwitzen. Sie musste sich ja wohl darüber im Klaren sein, dass sie hübsch war, wenn auch nicht ausgesprochen schön, und wenn er all die jungen Frauen zurückwies, die sie ihm schickte, wollte er vielleicht eine, die fünfzehn Jahre älter war und entsprechende Erfahrung aufwies. Und sie würde es nicht wagen, den Mann zurückzuweisen,
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